
Figaro für Österreich.
Richard SchmitzGestern gab es im Theater an der Wien die Premiere von Wolfgang Amadé Mozarts „Le Nozze die Figaro“. Sie fand ohne Zuschauer statt. ORF III hat übertragen. Unser Opernfan Richard Schmitz hat sich das angeschaut:
Die gestrige Übertragung war in mehrfacher Hinsicht ein großer Erfolg. Zuerst für die Beteiligten an der musikalischen Realisation. Es muss furchtbar sein ohne Publikumsreaktion zu singen und zu spielen. Schon das verlegene Lächeln von Dirigent Stefan Gottfried beim Verbeugen vor dem leeren Theater sprach Bände. Dann begann die Ouvertüre, die wie derzeit üblich pantomimisch aufgelockert wurde, natürlich mit „MeToo“-Inhalt. Auch für das Regieteam Alfred Dorfer und Kateryna Sokolova war diese Inszenierung ein Gewinn. Sie haben Mozarts Oper realisiert, wie es im Textbüchl steht, und das ist heute nicht selbstverständlich. Die Ingredienzien zeitgemäßer Regie werden alle bedient: Die Handlung spielt in der Gegenwart, es gibt einen Aufzug, der Rollstuhl ist ein Rollator und die Sopranistin darf bloßfüßig gehen. Warum der Herr Generaldirektor Almaviva Susanne in eine Straßenbahnremise bestellt, ist mir schleierhaft Diese Gags vergisst man bald. Auch Bartolo kommt in weiterer Folge ohne Gehhilfe aus.
Zentralfigur ist der Conte Almaviva von Florian Boesch. Er singt prächtig, differenziert und gestaltet einen Firmenchef mit amourösen Ambitionen. Am Schluss tanzt er zur nächsten Straßenbahn, offenbar auf der Suche nach neuen Liebesabenteuern. Blamiert, wie er sich hat, wird er in der unmittelbaren Umgebung kaum mehr Erfolg haben. Cristina Pasaroiu als Greäfin schwankt zwischen Resignation und heiterem Tatendrang wie vorgesehen und singt dabei wunderbar. Giulia Semenzato ist eine quirlige Susanna, die in ihrer großen Arie auch echte Gefühle zeigen darf. Figaro Robert Gleadow bringt im letzten Akt seine Enttäuschung über den vermeintlichen Treuebruch Susannas prächtig zum Ausdruck. Patrizia Nolz ist burschikos und kann mit ihren Arien punkten. Enkelejda Shkosa, Maurizio Muraro, Andrew Owens, Johannes Bamberger, Ekin Su Paker und Iwan Zimoniew sind mit Vergnügen bei der Sache und runden das Ensemble ab. Der Concentus Musicus Wien und der sparsam eingesetzte Arnold Schoenberg Chor bringen unter Stefan Gottfried einen schwungvollen Mozart.
Auch für das Theater an der Wien war die Übertragung ein großer Erfolg. Hat das Theater doch bewiesen, dass es auch unter schwierigsten Bedingungen wunderbar Oper spielen kann und Regietheater erfolgreich sein kann, wenn es das Stück ernst nimmt und sich mit Ehrfurcht einer der größten Opern der Musikliteratur nähert.
Herr Dorfer, hoffentlich bleiben sie bei der Oper.
Bei allem Dank an ORF III für den Abend bleibt doch die Hoffnung, dass wir bald den Sängern live zujubeln können. Es hätte einigen Szenenapplaus gegeben. Da kann man dann die leichten Kürzungen wieder rückgängig machen.
Wertnote: 8,8/10 Punkten