
La Wally.
Richard SchmitzGestern hatte im Theater an der Wien Alfredo Catalanis „La Wally“ Premiere. Die Opernfassung des Romans „Die Geierwally“ ist Zeugnis der italienischen Romantik und entstand 1892 in der Zeit der Suche nach dem Nachfolger von Giuseppe Verdi. Unser Opernexperte Richard Schmitz war dabei.
Alfredo Catalani passt in keine Kategorie der italienischen Oper des ausgehenden 19.Jahrhunderts hinein. Er ist kein Leoncavallo, kein Giordano und schon gar kein Puccini. Aber von allen kann man Anklänge hören, ja sogar von Richard Wagner. Wegen dieser Stilvielfalt wurde er auch vom Verlag Riccordi links liegen gelassen. Wieweit das ablehnende Urteil von Giuseppe Verdi da eine Rolle gespielt hat, ist nicht geklärt. Beeindruckend ist seine Musik aber jedenfalls. Auch gestern lauschte man interessiert und aufmerksam. Man kann die Liebe Arturo Toscaninis zu dieser Oper verstehen. Vor allem, wenn Izabela Matula sich der Titelfigur widmet. Die als Bub erzogene selbstbewusste Frau in ihrem Streben nach Emanzipation gelang ihr trefflich. Mit sicherem tragfähigen Sopran gestaltete sie die Wally zu einem menschlichen Wesen, das unser Mitleid verdient. Eine wunderbare Besetzung.
Den von ihr geliebten Hagenbach sang Leonardo Capalbo sicher, aber wenig differenziert; mehr Schmelz wäre schön gewesen. Über die Brutalität des Vaters ist Alastair Miles schon hinaus. Den Kümmerer Gellner sang Jacques Imbrailo achtbar. Ilona Revolskaya kam in der Hosenrolle des Walter am nächsten an die Matula heran. Andrés Orozco-Estrada sorgte mit den Wiener Symphonikern und dem Arnold Schoenberg Chor für eine gediegene Wiedergabe. Die Zwischenspiele wurden da zum musikalischen Ereignis.
Sehr unterschiedlich legen die Regisseurin Barbora Horákova Joly und die Bühnen-und Kostümbildnerin Eva-Maria Van Acker die Akte an. Die beiden ersten Akte sind mit viel Realismus und einer Fülle von Bildern, Schattenrissen und Projektionen fast überladen. Höhepunkt sind überdimensionale schrundige Hände, die ein Speckbrot verzehren. Die Akte drei und vier werden von einem Eisengerüst beherrscht, das das Eisige der Bergwelt und die gefängnishafte Situation Wallys nur ungenügend wiedergibt. Auch der Todessprung im Finale unterbleibt hier.
Ein interessanter Abend, der der italienischen Oper keinen neuen Weg gewiesen hat. Wie mir ein Kritikerkollege mitgeteilt hat: „Meine Lieblingsoper wird das nicht!“
Es war aber immerhin die Entdeckung einer großen dramatischen Sopranstimme.
Wertnote: 7,6/10 Punkten.