
Leonard Bernstein – Komponist und Interpret.
Ursula MagnesAm 25. August 1918 wurde Leonard Bernstein in Lawrence, Massachusetts, geboren. Seine Eltern, Samuel und Jennie Bernstein, entstammten einer jüdischen Einwandererfamilie aus der heutigen Ukraine, die Stadt Riwne damals zaristisches Russland. Am 14. November 1943 sprang Bernstein für den erkrankten Bruno Walter am Pult des New York Philharmonic Orchestra in der Carnegie Hall ein und wurde dank der nationalen Radioübertragung über Nacht berühmt. Doch sah er sich zeit seines Lebens in erster Linie als Komponist. So war das Jahr 1957 beispielsweise das Jahr der Uraufführung der „West Side Story“ und gleichzeitig das Jahr, in dem er das Einweihungskonzert des Frederic R. Mann Auditorium in Tel Aviv dirigierte.
Leonard Bernstein, von vielen – selten zu seinem Gefallen – „Lenny“ gerufen, war Hoffnungsträger für so vieles: das junge musikalische Herz der Verei-nigten Staaten, die Gustav Mahler-Renaissance, die amerikanische Bürgerrechtsbewegung, den jungen israelischen Staat, die „Konzerte für junge Leute“, die Überwindung der Grenzen zwischen E- und U-Musik. Er beherrschte unendlich viele Register: der Intellektuelle, der Charmeur, der Welten-Umarmer, der Entertainer, der Liebhaber beider Geschlechter, der Lässige, der Getriebene zwischen all diesen An-forderungen. Am 26. Mai 1948 ist Leonard Bernstein als junger Orchesterleiter zum ersten Mal in Wien aufgetreten. Er dirigierte die Wiener Symphoniker mit Werken von Robert Schumann, Antonín Dvořák und Maurice Ravel. Die ursprünglich geplante Aufführung seiner Ersten Symphonie „Jeremiah“ fand nicht statt.
Die Ressentiments gegenüber dem Unbekannten waren stärker als die Neugier. Es gab nach dem Debüt-Kon-zert schlechte Kritiken der Printmedien einerseits und stürmischen Beifall im Wiener Konzerthaus andererseits. „Ganz Wien auf einen Schlag!“, sagte sein Manager. Was anfänglich zaghaft und ablehnend begann, wurde im Laufe seiner Karriere zu einer großen Liebe – insbesondere der Klang der Wiener Philharmoniker. Heute kaum mehr vorstellbar: Am 10. Juni 1970 eröffnete Leonard Bernstein als Solist und Dirigent der Wiener Philharmoniker im Wiener Kon-zerthaus den SPÖ Bundesparteitag; Redner: Bruno Kreisky. 1977 fand im Rahmen des Carinthischen Sommers ein eigenes „Leonard-Bernstein-Festival“ statt. Zahlreiche Legenden ranken sich nach wie vor um Bernsteins Beziehungen zu Österreich. So nannte er den ehemaligen Geschäftsführer und Trompeter der Wiener Philharmoniker, Helmut Wobisch, in aller Öffentlichkeit seinen „SS-Mann“. Starker Tobak für beide Seiten.
Leonard Bernstein starb am 14. Oktober 1990 in seiner Wohnung in New York. Sein Name suggeriert Energie, Musik und Humanismus. Seine Kompositionen stehen auch heute im Schatten des Interpreten Bernstein. Doch das muss nicht so bleiben.
Dieser Artikel erschien zum erstenmal im magazin KLASSIK Nr. 9 [mehr]
- 12. bis 18. Oktober 2020
Vermehrt Musik von Leonard Bernstein und interpretiert von Leonard Bernstein im Programm
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