
Werther im Fernsehen.
Richard SchmitzGestern wurde in der Wiener Staatsoper Jules Massenets „Werther“ ohne Publikum aufgeführt. Piotr Beczała gab sein Rollendebüt in der Titelrolle. Die Erwartung war bei dieser Wiederaufnahme groß. Unser Opernexperte Richard Schmitz hat sich die Übertragung auf ORF III angeschaut:
„Liebe Hörerinnen und Hörer. Es gibt zwei Gründe diese Oper in Wien aufzuführen. Der erste: Es handelt sich im ein Werk, das in Wien das Licht der Welt erblickt hat. 1892 in der Wiener Hofoper. 147 Mal wurde das Werk am Haus gespielt. Der zweite Grund heißt Piotr Beczała. Wie er gestern diese schwierige Figur mit Leben erfüllt hat, war begeisternd. Er lebt jede Phrase und gibt ihr Inhalt. Die Entwicklung hin bis zum Selbstmord läuft stringent ab. Beczala kann man nur staunend zuhören, selbst die vielen banalen Stellen gewinnen da an Bedeutung. Ähnlichen Einsatz zeigte auch Gaëlle Arquez als Charlotte. Das war ein gelungenes Rollendebüt. Die Frau zwischen Liebe und Pflicht wurde sichtbar. Clemens Unterreiner hat nun den ungeliebten Ehemann übernommen. Auch er hat seine Aufgabe hervorragend bewältigt. Die Inszenierung von Andrei Serban schildert die kleinbürgerliche Enge von Charlottes Ehe, hat aber für den frei denkenden Werther wenig zu bieten. Übrigens: Wenn schon kein Publikum im Haus ist, könnte man die Szene besser ausleuchten. Dem ORF ins Stammbuch: Goethes Roman heißt „Die Leiden des jungen Werthers“ und nicht „Die Leiden des jungen Werther“. Betrand de Billy ist ein Gewinn für die Staatsoper, er hat wieder einen großen Abend gestaltet. Hoffentlich können wir ihm, Piotr Beczała und der Gaëlle Arquez bald wieder zujubeln.
Hinweis: Wenn sie ein anderes faszinierendes Werk von Jules Massenet kennenlernen wollen, dann hören sie sich Mittwoch um 20 Uhr Per Opera ad Astra über „Thaïs“ an.
© Wiener Staatsoper/Michael Pöhn: Aussichtslose Liebe und Leid bis in den Tod: Gaëlle Arquez und Piotr Beczala bei ihren Wiener Rollendebüts als Charlotte und Werther.