Rezensionen

Jubel für Animal Farm.

29. Februar 2024, 08:20 Uhr

(c) Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Gemeinsam mit der Dutch Opera Amsterdam hat die Wiener Staatsoper Alexander Michailowitsch Raskatov beauftragt, George Orwells „Farm der Tiere“ zu vertonen. Gestern Abend (28.2.2024) gab es an der Staatsoper die umjubelte Erstaufführung. radio klassik Stephansdom Opernexperte Richard Schmitz berichtet.

Der Jubel war berechtigt. Eine moderne Oper mit einer durchaus aktuellen Fabel. Die Tiere eines Bauernhofes vertreiben die Menschen und bewirtschaften den Hof selbst. Die Schweine übernehmen bald die Macht. Besonders das Oberschwein Napoleon entwickelt bald Machtgelüste und wird zum Diktator. Das ursprüngliche Motto des tierischen Aufstandes : „Alle Tiere sind gleich“ wird am Ende dialektisch ergänzt: „Aber einige sind gleicher“. Motto und Ergänzung strahlen im finalen Epilog von der Bühne, damit es auch jeder versteht. Das ist aber auch notwendig, weil der plakative Text keineswegs verständlich gesungen werden kann. Extreme Intervallsprünge erlauben eben keine Sprachmelodie. Das ist vor allem deshalb verwunderlich, weil der Komponist Raskatov das Libretto ja gemeinsam mit Ian Burton verfasst hat.

Es geht ihm um die Entzauberung des ach so gleichen sowjetischen Systems, das  ohne Entmündigung der Menschen und gewaltsamer Unterdrückung nicht auskommt. Die Figuren sind Stalin, Trotzki und Lawrenti Beria nachempfunden. Sie entwickeln sich auch entsprechend. Snowball (Trotzki) und Squealer (Beria) werden schließlich und endlich liquidiert. In der Einleitung träumt Old Major wie Marx und Lenin den Traum von der klassenlosen Gesellschaft. Zuletzt bleibt Napoleon (Stalin) unumschränkter Diktator. Schweine sind halt auch nur Menschen, wenn sie an die Macht kommen.

Raskatov hat für ein riesiges Orchester komponiert. Es gibt wohl kein Instrument, vor allem kein Schlaginstrument, das nicht erklingt. Die an Igor Strawinsky und Anton Webern orientierte Partitur ist überwältigend und spannend. Auch berührende Momente, wie der Tod des Arbeitspferdes Boxer bringen die notwendige Differenzierung. Damiano Michieletto hat nicht nur inszeniert, sondern auch beim Zustandekommen des Werks mitgearbeitet. So ist auch die Inszenierung aus einem Guss.

Die Naturschützer können zufrieden sein: die armen Schweine müssen im Bühnenbild von Paolo Fantin nicht auf Spaltbeton vegetieren. Sie leben in einem Marmorambiente. Der Kostümbildner Klaus Bruns hat die Aufgabe, Sängern riesige Tierköpfe aufzusetzen, bestens bewältigt.

Gesungen wird in englischer Sprache. Wolfgang Bankl steht als Napoleon im Mittelpunkt und beherrscht die Szene, fast ein klein wenig zu sympathisch. Wer kann schon unserem Bankl böse sein? Michael Gniffke als Snowball und Andrei Popov als Squealer können alle ihre stimmlichen Mittel bis zum Falsett und Diskant präsentieren. Gennady Bezzubenkov darf in der Einleitung sein tiefes Register nie verlassen. Isabell Signoret und Holly Flack wurden am Ende als Ziege und Stute für ihre exorbitante Brillanz, inklusive Wiehern und Meckern, besonders gefeiert. Stefan Astakov stirbt als Boxer beeindruckend. Clemens Unterreiner spielt einen Menschen, der im Charakter aber auch ein Schwein ist. Der Dirigent Alexander Soddy hält den riesigen Apparat, 14 Solisten, Chor und Orchester gut zusammen. Er hat den richtigen langen Atem und baut die Spannung energisch auf.

Es war ein großer Abend für die Staatsoper und die Musikgeschichte. Wien war fast wieder Ort einer Welturaufführung. Das Publikum war begeistert und hätte mehr gefeiert, wäre nicht der schwarze Vorhang zweimal stimmungstötend niedergegangen. Der einstimmige Jubel schloss auch den anwesenden Komponisten ein.

Wertnote: 8,8/10 Punkten