CD der Woche

Bruckners Neunte.

23. März 2024, 07:25 Uhr

(c) myrios classics

Interpreten: Gürzenich-Orchester Köln
Label: myrios classics
EAN:
4260183510345

Bereits bei seinem Antrittskonzert als Gürzenich-Kapellmeister und damit Generalmusikdirektor der Stadt Köln hat François-Xavier Roth mit Anton Bruckners 4. Symphonie aufhorchen lassen. Damit hat eine neue Bruckner-Pflege des Gürzenich-Orchester Köln begonnen, wobei die Werke Bruckners in Köln schon immer einen guten Stand hatten. Nach den Symphonien 3, 4 und 7 kann man jetzt Bruckners Neunte nachhören. Live aufgenommen im Juni 2022 in der Kölner Philharmonie.

Dirigent François-Xavier Roth setzt in seiner Auseinandersetzung mit Anton Bruckners Symphonien auf die Erstfassungen. In Bezug auf die Neunte bedeutet das die dreisätzige Originalversion, herausgegeben von Leopold Nowak, ehemals Leiter der Bruckner-Gesamtausgabe. Roth bemüht sich in seiner Interpretation um die zukunftsweisende Modernität in Bruckners symphonischen Kolossen: „Bruckner lässt in seinen Symphonien ein regelrechtes Klang-Magma entstehen, indem er das Innenleben der Klänge formt. Ein Hörerlebnis, das Spektralmusik gewissermaßen vorausnimmt.“ Sich Bruckners Klangschichtungen mit den schier endlos scheinenden Wiederholungen, die sich auftürmen ohne wirklich Luft abzulassen, als Magma vorzustellen, hat etwas. Es brodelt tatsächlich im Inneren der dahinziehenden Tremoli-Klangflächen. Der erste Satz in Roths Lesart entfacht die Spannung eines Hitchcock-Thrillers. Das Besondere an der Aufnahme, sie ist nie „einfach nur laut“ im Sinne einer Bruckner-Walze, die über alles drüberfährt.

Roth setzt genauso auf Bruckners Brüche, harmonisch wie rhythmisch, und erreicht damit eine dichte Dramatik. Die einzelnen Orchesterregister stehen sich um nichts nach. Das bewegt lebhafte Scherzo peitscht, stampft und tanzt. Und im Handumdrehen schmiegen sich saftige Streicherphrasen dagegen. Ein Dialog, der sich auf mehreren Ebenen abspielt – vergleichbar einem Haus, in dem in drei Stockwerken über das gleiche Thema diskutiert wird. Diese packende Interpretation nimmt die Zuhörerin auf Tuchfühlung mit Bruckners kompositorischer Intensität – das Ohr erfrischt sich in sprudelndem Bruckner-Quellwasser.

Das Adagio ist aus einer anderen Welt, zerklüftet geheimnisvoll und monumental. Ein gewaltiger Spannungsbogen, als wollte Bruckner noch einmal alles auffächern, was ihn bewegt. François-Xavier Roth und das Gürzenich-Orchester Köln schaffen auch in dieser Mystik eine immer noch natürlich wirkende Plastizität der Klangfarben. Die weit auseinander liegenden Extreme der Klangregister behalten ihre, wenn auch schroffen, Bezugspunkte. Fazit: eine Interpretation der 9. Symphonie Bruckners, die das heurige Bruckner-Jahr mit Sicherheit überdauern wird. Eine absolute Empfehlung für eine lebendige Bruckner-Diskografie. (um)

 

 

 

 

 

 

© (c) Ursula Magnes