Rezensionen

Der Baum der Diana.

4. Dezember 2022, 09:15 Uhr

Herwig Pammer

In der Wiener Kammeroper hat das Musiktheater an der Wien gestern die Oper „L`arbore di Diana“ des spanischen Komponisten Martin y Solér herausgebracht. radio klassik Stephansdom Richard Schmitz berichtet.

Lorenzo da Ponte hat für diese Oper die mythologische Figur der Göttin Diana gewählt, um die Verlogenheit der Wiener Gesellschaft Ende des 18. Jahrhunderts ironisch zu entlarven. Vom Pfeil Amors getroffen, verliebt sich Diana in Endimione. Lorenzo da Ponte stellt damit die jungfräuliche Göttin bloß und die römisch-griechische Mythologie auf den Kopf. Die Liebe darf triumphieren. Der Baum der Diana, der alle bloßstellt, die gegen das Keuschheitsgebot verstoßen, irrt auch bei Diana selbst nicht. Rafael F. Villalobos sieht in diesem Sujet einen Prozess des Erwachsenwerdens und verlegt die Handlung in die Sanitäranlage eines Internats unter der Leitung der Direktorin Diana. Das gibt ihm die Möglichkeit so gut wie alle sexuellen Praktiken, lesbische, schwule und übergreifende zu zeigen, was manchmal durchaus erheiternd wirkt. Jugendfrei ist das nicht. Emanuel Sinisi stellt eine schäbige Kloanlage und ein heruntergekommenes Klassenzimmer auf die Bühne.

Für die Rolle  der Diana wurde die erfahrene Veronica Cangemi eingesetzt, die die beiden Arien bravourös singt. Der Unterschied zwischen der strengen göttlichen Institutsleiterin und der liebenden menschlichen Frau gelingt ihr großartig. Den passiven Liebhaber Endimione gibt Jan Petryka mit schöner Stimme. Gyula Rab als Silvio und Christoph Filler als Doristo haben großen Spaß an ihren Rollen. Die drei Nymphen sind dem Reinigungspersonal zugeordnet. Arielle Jeon und Bernarda Klinar können unterschiedliche Charaktere entwickeln und singen tadellos. Jerilyn Chou darf als aufmüpfige Britomarte brillieren. Amore ist eine genderfluide Figur, was der Counter Maayan Licht bravourös und mit wunderbaren Koloraturen bewältigt.

Die Begegnung mit „L´arbore die Diana“ ist interessant, aber Lorenzo da Ponte allein macht noch keine Mozart-Oper. Da ist vieles gekonnt und melodiös, zündend sind allerdings nur die Arien der Diana. Das eigens zusammengestellte Solistenorchester wurde von Rubén Dubrovsky routiniert geleitet. Martin y Solérs Werk zählt nicht zu den großen Barockopern. Seine Oper „Una cosa rara“ überlebt immerhin. Allerdings nur als Zitat im „Don Giovanni“.

Das Publikum war amüsiert und ist vor allem im ersten Teil voll mitgegangen. Nach der Pause konnte die Regie die Spannung nicht mehr halten. Der Schlussapplaus war begeistert und anhaltend. Den einzigen Buhrufer habe ich gefragt, ob er vom Regisseur engagiert wurde. Das hat er geleugnet, aber sofort aufgehört und den Saal verlassen. So konnte ich ihn nicht fragen, ob er wegen der ausufernden Sexszenen sein Missfallen geäußert hat.

Wertnote: 6,8/10 Punkten