Rezensionen

Der feurige Engel.

16. März 2021, 08:15 Uhr

Gestern wurde Der feurige Engel von Sergei Prokofjew im Theater an der Wien für DVD und Fernsehen aufgezeichnet. Natürlich ohne Publikum. Mit Spannung wurde die Inszenierung von Andrea Breth erwartet. Handelt es sich doch im Libretto um ein sperriges Stück. Unser Opernliebhaber Richard Schmitz war dabei. Selbstverständlich getestet und mit Maske. Die Kritikerinnen und Kritiker asßen jeweils allein in einer Loge. Das Parkett war den Kameras vorbehalten.

„Die Partitur des Feurigen Engels lockt uns gnadenlos und unwiderstehlich vor einen schwindelerregenden Abgrund und stellt uns vor unsere eigenen Widersprüche und Ängste.“ Mit diesem Satz schließt der Aufsatz von Antonio Cuenca Ruiz, Dramaturg der Produktion, im Programmheft. Die Regisseurin Andrea Breth dürfte ihn nicht gelesen haben. Sie siedelt die Handlung plakativ in einem gefängnisähnlichen Irrenhaus an und verzichtet dabei auf jede Form der Zweideutigkeit. Nach dem sonntäglichen Interview im Kurier war Schreckliches schon zu erwarten. Da war von banalem Text und symbolistischem Quatsch die Rede. Und dass Andrea Breth nur Bahnhof verstanden hätte. (Das Stück lief auch in Zürich, in einer Inszenierung von Calixto Bieto). Ich fürchte nach diesem Abend wird auch das Publikum nur Bahnhof verstehen. Nur psychisch gestörte Menschen in spastischen Verrenkungen zu zeigen, ist für dieses Werk zu wenig. Es geht um das Verhältnis von Magie, Religion und Vernunft und um eine Frau, die manisch an ihren Jugendweltbild festhält und gesellschaftlich ins Abseits gerät. Sie will Engel und nicht Hure sein. Da gäbe es genug Gegenwartsbezug. Zwischen April 2020 und März 2021 wäre genug Zeit gewesen, nachzudenken. Ein zusammengebrochener Engel mit weißen Flügeln auf einer Bahre und ein aufrechter mit schwarzen reichen da nicht. Großartig das Bühnenbild von Martin Zehetgruber. Es hat den Flair einer Heilanstalt, die mehr einem Gefängnis gleicht. Diesen Eindruck konsistent wiedergibt und in einen monumentalen Bettenturm gipfelt.

Im Mittelpunkt steht Ausrine Stundyte als Renata. Sie singt expressiv und durchschlagskräftig, kann in diesem Ambiente aber keine Anteilnahme erregen. Nicht einmal, wenn sie am Ende vom Inquisitor erschossen wird. Bo Skovhus wirkt kraftlos und ist keinesfalls der liebende Begleiter des Geschehens.

Liebe Hörerinnen und Hörer. Vergessen sie die Inhaltsangabe im Programmheft, die Handlung findet nicht statt. Constantin Trinks bemüht sich mit dem RSO Wien und dem Arnold Schoenberg Chor hingebungsvoll um diese Partitur. Constantin Trinks schätzt dieses Werk. Aus dem guten Ensemble ragt Nikolai Schukoff als Agrippa und Mephisto heraus.

Ich halte Sergej Prokowjews „Der Feurige Engel“ für ein bedeutendes Werk. Populär wird es aber auf diese Weise sicher nicht. Andrea Breth hat schon bemerkenswertere Inszenierungen geliefert.  (RS)

Wertnote: 6,5/10 Punkten.

© TAW, Bernd Uhlig