Rezensionen

Der Vogelhändler in Bad Ischl.

17. Juli 2023, 07:03 Uhr

DER VOGELHÄNDLER mit Corina Koller und Tanzensemble
(c) www.fotohofer.at

Gestern ging in Bad Ischl die Premiere der zweiten Festivalproduktion über die Bühne. Carl Zellers Dauerbrenner „Der Vogelhändler“ brachte das Publikum zu spontanem Applaus. Unsere Kollegin Bernadette Spitzer war dabei. 

Der Vogelhändler zählt zu den beliebtesten Operetten überhaupt und unterhält seit der Uraufführung 1891 das Publikum. Schenkt man sich Rosen in Tirol oder die Christl von der Post sind ins allgemeine Liedgut übergegangen. Dennoch ist es wichtig, das Stück, das zu Beginn des 18. Jahrhunderts in der Pfalz in Süd-West-Deutschland angesetzt ist, sanft ins Heute zu holen, und das ist Regisseurin Annette Leistenschneider hervorragend gelungen. Sie macht es auf mehreren Ebenen. Es regnet geradezu Zitate aus anderen Operetten und Genres, etwa aus dem Zigeunerbaron oder Anatevka. Sogar der Walkürenruf wird zitiert. Politiker und auch die Klimakleber bekommen in guter alter Operettentradition ihr Fett ab.

Das ist ausnahmslos sehr lustig. Das Stück ist es nämlich eigentlich nicht. Wir haben es zu tun mit einem Paar, das, obwohl es berufstätig ist, nicht heiraten darf, weil es zu wenig verdient. Soziale Ungleichheit und Ungerechtigkeit werden hier kritisiert. Und dann kommen die amourösen Probleme der Protagonisten dazu. Der Vogelhändler Adam, glaubwürdig und temperamentvoll dargestellt von David Sitka, taucht in der Pfalz mit seinen Freunden in Lederhosen auf. Um die Handgelenke hat er karierte Tücher a la Andreas Gabalier gewickelt. Nur der Hüftschwung fehlt.

Im Mittelpunkt stehen eindeutig die Frauen. Der Auslöser aller Übel, der Kurfürst, wird zwar ständig erwähnt, hat aber nicht einmal eine Rolle. Baron Weps, der von Gerd Vogel mit gewaltiger Stimme auf die Bühne gebracht wird, hat auch nicht das Heft in der Hand.

Die Fäden zieht eine Frau, die Kurfürstin Marie, intelligent, humorvoll und einfühlsam dargestellt von Corina Koller, einer jungen und bereits preisgekrönten Sopranistin. Sie und ihre Entourage sind auch optisch der Gegenpol zu Adam – sie sind die Städterinnen, die IT-Girls in schrillen und bunten Outfits.

Herausragend ist auch Jenifer Lary, die Christel von der Post. Sie bietet alles, was es braucht: Sie ist charmant, frisch, locker, stimmlich perfekt und artikuliert beim Singen sehr deutlich und gut verständlich. Großartig auch Patricia Nessy als Baronin Adelaide. Trotz einer schweren Erkältung hielt sie durch und machte aus ihrem Part kurzerhand eine Sprechrolle.

Hervorzuheben ist auch in dieser Produktion das Ballett, das im Dauereinsatz steht und viel zur Unterhaltung beiträgt. Am Schluss setzt Regisseurin Annette Leistenschneider noch eine – eigentlich logische – Änderung: Alle Liebespaare bekommen einander. Es wird ein weiteres, ein homesexuelles angedeutet, nämlich die beiden Professoren. Und die Kurfürstin will sich von ihrem treulosen Mann scheiden lassen. Aber auch Adam kommt nicht ganz ungeschoren davon: Seine Christel sagt ihm am Schluss, dass er „ein bisserl brav“ sein muss – auch das ein bekanntes Zitat aus einem anderen Genre.

Stimmlich eine runde Produktion, eine kurzweilige, aktuelle Inszenierung und schöne Bilder und Kostüme fürs Auge – Carl Zellers Dauerbrenner brennt in Bad Ischl weiter. (bs)

© Bernadette Spitzer