Rezensionen

Die lustige Witwe.

4. März 2024, 10:02 Uhr

Daniel Schmutzhard (Graf Danilo Danilowitsch), Anett Fritsch (Hanna Glawari)
© Werner Kmetitsch/Volksoper Wien

Die Wiener Volksoper hat eines ihrer Erfolgstücke „Die Lustige Witwe“ neu inszeniert. Eine der erfolgreichsten Operetten hat einen neuen Rahmen bekommen. Unser Opernexperte Richard Schmitz berichtet von der gestrigen (2.3.24) Premiere.

„Die Lustige Witwe“ war nach dem Tod von Johann Strauß schlicht die Wiedergeburt der Wiener Operette. Sie erlebte nach der Uraufführung 1907 viele Aufführungen, die genaue Zahl ist kaum mehr zu erheben. Die Silberne Ära der Operette überstrahlte das ganze 20. Jahrhundert lang die Goldene Ära und war bis zur Geburt des Musicals Synonym für heiteres Musiktheater. Sie begründete aber auch den Ruf Wiens als Operettenstadt. Das ist eine hohe Latte. Die Wiener Volksoper ging mit viel Ambition ans Werk.

Die Regisseurin Marianne Clément hatte die Idee Hanna Glawari und Danilo Danilowitsch als ältere Semester zu sehen, die nach langer Zeit ihre Jugendliebe entdecken. Danilo geht schon am Stock, Hanna ist noch durchaus "frisch beinand". Da passt auch dazu, dass er apathisch dasitzt, wenn die Grisetten ihn in der Unterwäsche umschwärmen. Doch der leichtsinnige junge Diplomat den Franz Lehár so trefflich musikalisch charakterisiert hat, geht da verloren. Dass er als einziger Tag und Nacht einen Frack trägt, isoliert ihn von den anderen Figuren. Auch die Glawari passt sich mit ihrem bodenlangen Trauerkleid und einem hautengen Ballkleid nicht den weitschwingenden Röcken des übrigen Personals an. Daniel Schmutzhard und Anett Fritsch bleiben allein und bestimmen nicht wirklich das Geschehen. Beide singen achtbar, bleiben aber mangels Bezugspersonen isoliert. So wird der Walzer „Lippen schweigen“ zuerst in der Instrumentalfassung, dann in der gesungenen zum überzeugenden Höhepunkt. Das Vilja-Lied verliert seine verfüherische Funktion, wenn sie Danilo dabei nicht ansingt. Anett Fritsch hat trotzdem zurecht Szenenappplaus bekommen. Nett ist die Idee das Duett von Valencienne und Rossignol, in dem sie vom einfachen Glück schwärmen, als Erinnerung von Hanna und Danilo zu inszenieren. Hedwig Richter singt eine ordentliche, anständ´ge Frau; dass sie vor ihrer Zeit als Botschaftersgattin Grisette gewesen ist, glaubt man ihr nicht. Aaron-Cosey Gould hat eine schöne Stimme, für den Rossilon ist er zu wenig selbstbewusst. Jakob Semotan hat die gesprochenen Texte erfolgreich aktualisiert und seine Rolle als Njegus aufgewertet. Manche seiner Pointen, wie etwa die falschen Artikel, die bei Zugewanderten gang und gäbe sind, gehen leider unter. Die zahlreichen anderen Rollen werden mit viel Ironie an der Slapstickgrenze entsprechend gestaltet. Chor und Orchester kennen ihren Franz Lehár und musizieren wie es der Volksoper geziemt. Wieweit der Dirigent Ben Glassberg daran beteiligt war, kann man nach seinem Statement im Programmheft nicht feststellen.

Die Bühne und die  großzügigen blauen Samtvorhänge vermitteln wenig Atmosphäre, schon gar keine pariserische oder wienerische. Regisseurin und Dirigent haben laut eigener Aussage, "Die lustige Witwe" vorher nicht gekannt. Das merkt man leider. Das Publikum war zufrieden und hat ausgiebig applaudiert. Daniel Schmutzhard kann jedenfalls seine Leib-Partie in dieser Inszenierung noch wie Joopi Heesters bis ins hohe Alter singen.

Wertnote: 7,0/10 Punkten