Rezensionen

Don Carlo in Klosterneuburg.

9. Juli 2023, 09:45 Uhr

Gesternabend fand im Kaiserhof des Stiftes Klosterneuburg die Premiere der Oper Klosterneuburg statt. Giuseppe Verdis "Don Carlo" in einer eigenen Klosterneuburger Fassung von Dirigent Christoph Campestrini auf Basis der italienischen vieraktigen Mailänder Fassung. Musikchefin Ursula Magnes berichtet.

Intendant Michael Garschall begrüßte das Premierenpublikum zu seiner 25. Produktion der Oper Klosterneuburg. Die Rahmenbedingungen des Abends hätten nicht schöner sein können: der Traum eines schönen Sommerabends im Übergang zur Sommernacht umhüllte den Blick nach oben. In den Himmel – freiluft und damit erste Reihe fußfrei für alle. Und von diesem Himmel ist im Stück „Don Karlos, Infant von Spanien“ von Friedrich Schiller weniger die Rede als in der Umsetzung von Giuseppe Verdi. Im Libretto von Joseph Méry und Camille du Locle hadern und fordern die Akteure mit Gott. Und sie scheitern; bis auf einen, der Großinquisitor – zugleich Beichtvater von König Philipp II.

Dem rechten Glauben muss die gefühlte Liebe weichen. Gedankenfreiheit gibt es nur im Innersten, diese gefühlte Liebe nur im Geheimen. Das sind starke Themen für den Anspruch einer Sommeroper in einer zum Genießen freigegebenen lauen Sommernacht. Das Leading Team rund um Dirigent Christoph Campestrini, Günther Groissböck und Monica I. Rusu-Radman Regie ist eine meisterhafte Leistung für ein absolutes Meisterwerk der Opernliteratur gelungen. Die Bühne von Hans Kudlich in „Wotruba-Renaissance“ übernimmt Sichtachsen des Kaiserhofes, fügt sich mit aller Wuchtigkeit in diesen famosen, nach oben offenen Innenraum. Selbst das Farb- Lichtspiel von Lukas Siman übernimmt etwa die Grüntöne des Daches. Der Machtraum des spanischen Königshofes im Escorial ist kalt, hart und unerbittlich. Die barocke Architektur des Klosterneuburger Kaiserhofes würde da etwas vortäuschen, was für den spanischen König Philipp II. so nicht stattgefunden hat. Der König regierte über ein Weltreich, obwohl er keine Fremdsprachen beherrschte, angewiesen auf das dynastische Heiraten. Die Französin Elisabeth von Valois liebte eigentlich seinen Sohn Don Carlo, der wiederum von seinem Freund Rodrigo, dem Marquis von Posa, gebeten wird, das aufständische Flandern zu unterstützen. Die Rollen passen einfach nicht zu den Gefühlen. Die Staatsraison fährt über alles hinweg.

Dieser Archaik stellt Dirigent Christoph Campestrini Italienische Leichtigkeit gegenüber. Verdi schlägt ja keine Pflöcke ein, er schaut in die Seelen der Menschen hinter der Rolle, und das rührt zu Tränen. Vorausgesetzt man lässt sich auf diesen Zwiespalt ein. Die Beethoven Philharmonie bietet in allen Orchesterregistern eine tolle Leistung und wird im Laufe der weiteren Vorstellungen sicher noch eindringlicher mit dem Bühnengeschehen zusammenwachsen. Dass man für diese Sängerinnen- und Sängerbesetzung nach Klosterneuburg fahren muss, steht ohnedies außer Zweifel. Regisseur Günther Groissböck singt König Philipp II. Er ist eine Bühnengewalt, die in den großen Szenen sängerisch triumphiert. Das tut auch Arthur Espiritu als Don Carlo, mit seiner strahlend schlanken Tenorstimme. Vielleicht ist er darstellerisch eher ein Alfredo. Lokalmatador Thomas Weinhappel debütiert in der Rolle des Rodrigo, Marquis von Posa. An der Seite und im Duett mit seinen Bühnenpartnerinnen und -partnern kann er zeigen, was er vermag. Vor dem Großinquisitor Matheus França fürchtet man sich auch in der 10. Reihe. Er ist blind und wird auf der Bühne von zwei Statisten geführt - eine Rolle die durch Mark und Bein geht. Was sich wohl die hohe Geistlichkeit, allen voran Bischof Alois Schwarz, in den ersten Reihen dabei gedacht haben mag. Beniamin Pop, Cover von Günther Groissböck, übernimmt die Aufgaben des Mönches und beschließt als Karl V. mehr oder weniger den Abend. Wobei wir endlich bei den Sängerinnen angekommen sind: sowohl Karina Flores als auch Margarita Gritskova, die Gegenspielerinnen Königin Elisabeth und Hofdame Prinzessin Eboli, bieten Glanzleistungen. Und an dieser Stelle müssen auch unbedingt die schönen historischen Kostüme von Andrea Hölzl erwähnt werden. Allein die Kleider der Hofdamen bieten eine Augenweide.

Fazit: Wenn die Staatsoper, also der Staat, Pause macht – mutiert die Oper Klosterneuburg zur Arena di Verona. Ein schöneres Kompliment kann ich nicht vergeben. Kulturarbeit auf höchstem Niveau mit Mitteln, die überschaubar sind. Bitte weiter so. (um)

© Ursula Magnes