CD der Woche

Eclipse

5. November 2022, 07:30 Uhr

Interpreten: Hilary Hahn, hr- Sinfonieorchester, Andrés Orozco-Estrada 

Label: DG 

EAN: 0028948623839 

Auch Superstars der Klassikwelt haben menschliche Problemen und Krisen. Eine solche durchlebte die Geigerin Hilary Hahn zu Beginn der Corona-Pandemie. Sehr offen schreibt sie darüber am Beginn des Beiheftes ihrer neuen CD „Eclipse“. 

Eclipse – die Finsternis zu Deutsch, ist der Titel der neuen CD von Hilary Hahn. Dabei stellt gerade diese Aufnahme eigentlich ein Wiedereintreten ins Licht dar, eine Art Überwindung der Finsternis. Denn nach einer geplanten Auftrittspause sollte Hilary Hahn gemeinsam mit dem hr-Sinfonieorchester im Herbst 2020 wieder auf die Konzertbühne zurückkehren, doch allgemeine Lockdowns in Europa, erschwerte Reisebedingungen und vor allem auch die gesamte gestrichene Kunst und Kultur in den USA haben eine andere Geschichte geschrieben. Gerade alle geplanten Auftritte mit Dvorak, Ginastera und Sarasates Carmen Fantasie, dem Programm dieser CD, sollten der Corona Pandemie zum Opfer fallen, was bei Hilary Hahn zu einer tiefen emotionalen Krise führte, die soweit ging, dass sie begonnen hat, ihre Souveränität als Musikerin und ihr Selbstvertrauen zu verlieren. Es muss sie viel Kraft gekostet haben, mit Dvorak wieder in den Konzertsaal zurückzukehren, und das live für eine Radioübertragung, dafür ohne Publikum. Die Erfahrung allerdings war für Hilary Hahn wie eine Wiedergeburt, die nun als erstes großes Werk auf unserer CD der Woche nachzuerleben ist. 

Von fehlendem Selbstvertrauen oder mangelnder Souveränität keine Spur. Technisch perfekt und musikalisch höchst überzeugend läuft der Dampfer durch romantische Fahrwasser. Auch Ginastera und Sarasate wurden danach im Rahmen von Konzerten aufgenommen. Das Knistern des Live-Charakters ist dabei vor allem beim beinahe unspielbar-schweren Ginastera Konzert zu spüren. Da liegt eine Spannung in der Luft, die von der Geigerin durchgehend getragen und aufrecht erhalten wird. Ein großes und großartiges Werk, das in unseren Breiten kaum, bzw. in Wien in den vergangenen 20 Jahren überhaupt nicht auf Programmzetteln zu finden ist. Schon die gut fünfminütige Eröffnungskadenz bietet und fordert alles, was auf der Violine möglich ist. Und für Hilary Hahn ist dabei sehr viel möglich. Ein Husarenstück par excellence. Da wirkt Sarasates Version der Carmenfantasie fast wie ein geigerischer Kindergeburtstag. Willkommen zurück, verehrte Hilary Hahn! (mg)