Rezensionen

Eine neue Salome.

3. Februar 2023, 08:20 Uhr

Wiener Staatsoper, Michael Pöhn

Gestern fand in der Wiener Staatsoper wieder eine große Premiere statt: „Salome“ von Richard Strauss. Unser Opernexperte Richard Schmitz berichtet.

Die Komposition von Richard Strauss und der Text von Oscar Wilde hatten es am Anfang schwer. Das Sujet der kindlichen Salome war skandalträchtig und wurde von der Zensur wütend bekämpft. Die erste Aufführung in Österreich fand daher an der Grazer Oper statt. Heute ist das Werk längst weltweit als Durchbruch der Moderne anerkannt. Trotzdem geht man auch heute noch mit Spannung in die Oper, wenn „Salome“ auf dem Programm steht. Doch gestern hatten die Sittenwächter keinerlei Grund Einwände zu erheben. Das Regieteam um Cyril Teste lieferte eine allzu biedere Realisierung ab. Die Handlung spielt nicht im biblischen Jerusalem, sondern in einer zeitlosen Gegenwart. Herodes hat zu einem gesetzten Essen geladen. Entsprechend festlich gekleidet benehmen sich alle gesittet, vor allem weil auch die Seitenblickekamera zur Stelle ist. Das erlaubt indiskrete Einblicke und entsprechende Projektionen. Auch Seitenblicke-Star Clemens Unterreiner ist als erster Nazarener zur Stelle. Jochanaans Predigt vom herannahenden Christus wirkt da deplatziert. Salome erhält zwei Doubles die das jugendliche Alter der Prinzessin betonen sollen. Da brilliert Anna Chesnova im Tanz der sieben Schleier mit kindlichen Versuchen zu Tanzen. Der Kopf des Jochanaan ist nur eine Maske, die anfangs auch der Henker trägt. Am Ende legen die beiden Soldaten ihre Gewehre auf Salome an. Ob sie schießen, war nicht mehr zu sehen. An der Auseinandersetzung zwischen Salome und Jochanaan war das Seitenblicke-Team nicht interessiert. 

Im Interview stellt der Regisseur fest: „Ich weiß vor Beginn der eigentlichen Probearbeit nicht, was ich erzählen werde. Das ist abhängig von den Darstellern.“ Viel ist dabei nicht herausgekommen. Besondere, kreative Vorstellungen dürften die Protagonisten nicht gehabt haben. So ist eine biedere Inszenierung entstanden, die künftigen Gästen viel Spielraum lässt.

Musiziert wurde unter Philippe Jordan dem genialen musikalischen Duktus entsprechend, das Staatsopernorchester war in Hochform. Malin Byström sang die Titelrolle mit großer durchschlagskräftiger Stimme. Die Erinnerung an Anja Silja taucht auf. Auch die war imponierend, hat mich aber nicht berührt. Keinerlei erotische Ausstrahlung. Eine Klasse für sich: Gerhard Siegel als Herodes, stimmlich hervorragend kann er auch diesen fiesen Charakter glaubhaft machen. Michaela Schuster bleibt als Herodias daneben etwas blass. Wolfgang Koch singt den Jochanaan verlässlich aber ohne die Ausstrahlung des großen überzeugten Propheten. Daniel Jenz erfüllt seine kurze Aufgabe als Narraboth. Alle übrigen sind solides Staatsopernniveau. Die Feinheiten des Textes von Oscar Wilde hätte ich gerne gehört und nicht nur am Display gelesen.

Das Publikum war zufrieden, feierte Philippe Jordan schon vor dem ersten Ton und am Ende mit Blumen. Zumindest Malin Byström hätte sich für ihre Gewaltleistung auch eine Rose verdient. Die Buhrufer für das Regieteam waren überflüssig, dazu war die Regie zu unbedeutend.

 

7,9

© Richard Schmitz