Rezensionen

Eine Operette für Salon-Suffragetten.

14. Mai 2023, 12:25 Uhr

Die Lustigen Weiber von Windsor.
Wiener Volksoper

Die Wiener Volksoper sucht in Otto Nicolais„Lustigen Weibern von Windsor“ die Frauenrechtlerinnen und findet in einer bunten Neuproduktion am Ende sehr leichten Operettenspaß.

Wenn lustig draufsteht, muss wohl auch viel Lustig drinnen sein. Das hat sich jedenfalls die niederländische Regisseurin Nina Spijkers gedacht, als sie „Die lustigen Weiber von Windsor“ wildentschlossen witzig auf die Volksopernbühne gestellt hat. Otto Nicolai hat darin William Shakespeares Geschichte um Sir John Falstaff und seine „Merry Wifes of Windsor“ zur „Komisch-phantastischen Oper in drei Akten mit Tanz“ gemacht. Im März 1849, ein Jahr nach der Märzrevolution, wurde das Stück in Berlin uraufgeführt. Natürlich steht das Werk heute im Schatten von Giuseppe Verdis „Falstaff“.

Doch lohnt auch Otto Nicolais wunderbare Musik eine Aufführung. Sogar Carlos Kleiber hat die prachtvolle Ouvertüre zum Auftakt seines Neujahrskonzerts 1992 dirigiert. Aus dem Volksoperngraben klingt die höchst raffinierte Partitur unter dem tüchtigen Dirigat von Ben Glassberg naturgemäß etwas anders, quasi in der Vorstadt geerdet. Aber um Feinheiten geht es ohnehin nicht. Die Weiber werden in bester Laune durch die Volksopernmangel gedreht: Heraus kommt leichte Unterhaltung ganz nach der Façon des Hauses. Süß und drall und operettig dreht sich das Spiel auf der putzig von Rae Smith mit diversen Kulissenteilen eingerichteten Drehbühne. Gleich zur Ouvertüre versammeln sich die Lustigen Weiber auf einem Rasenstück auf dem der Schriftzug „Die lustigen Weiber“ blüht. Wie lauter Salon-Suffragetten tollen die Damen übers Grün, kleben sich Schnurrbärte an und machen auf starker Mann.

Die Wiese steht offenbar im Prater. Denn Nina Spijkers verlegt das Windsor des 17. Jahrhunderts ins Wien von 1918. Das Jahr, als die Monarchie zur Republik wurde, die Adelstitel abgeschafft und das Frauenwahlrecht eingeführt wurde. Der John Falstaff hat also den Sir verloren. Aber der nonchalant komische Martin Winkler wirkt ohnehin wie das leicht depressive Gegenteil eines Falstaff und gelangt mit sonorer Basstiefe schön ins Ziel.

Die Regisseurin begründet ihre Verlegung in einem langen Programmheft-Interview. Wie so oft liegen Theorie und Praxis auseinander. Viel mehr als ein im Finale entrolltes rotes Transparent, auf dem das ohnehin errungene „Frauenwahlrecht“ eingefordert wird, und ein paar neue Dialoge, erkennt man nicht. Anett Fritsch und Stephanie Maitland müssen etwa als sympathisch besetztes Duo Frau Fluth und Frau Reich ein reichlich klischeehaftes Gespräch von Frau zu Frau führen.

Doch Spijkers dekoriert ohnehin ihre Singspieltorte lieber über und über mit Pointen. Da genügt es dann, wenn auch nur die Hälfte davon aufgeht. Falstaff darf etwa in seinem Duett mit Herrn Fluth, den Daniel Schmutzhard bestens gelaunt singt, am Pissoir die Hose verlieren. Oder: Während sich JunHo You, als tenoral überzeugender Halbstarker Fenton, und Lauren Urquhart, als auch nicht auf den hübschen Sopranmund gefallene Anna, im Freibad anschmachten, vollführen im Hintergrund die Badenixen zum großen Gaudium des Publikums ein Wasserballett. Auch Alexander Fritze und Carsten Süss dürfen in queer bunten Badeanzügen als Dr. Cajus und Junker Spärlich plantschen und Badewasser spucken. Am Ende stehen sie alle inmitten des bestens einstudierten Chores und lassen sich unterm Mond von Wien ganz happy feiern.

© Stefan Musil