Rezensionen

Erste Premiere in Salzburg

27. Juli 2022, 08:20 Uhr

Salzburger Festspiele
Herzog Blaubarts Burg 2022: Ausrine Stundyte (Judith), Mika Kares (Herzog Blaubart)
Salzburger Festspiele/Monika Rittershaus

Gestern hatte der vielumstrittene Teodor Currentzis bei den Salzburger Festspielen gleich zwei Werke zu dirigieren: „Herzog Blaubarts Burg“ von Béla Bartók und die Oratorienoper „De temporum fine comoedia“ von Carl Orff. Der radio klassik Opernexperte Richard Schmitz berichtet:

Béla Bartóks Oper ist zweifellos ein Solitär im Reigen der symbolistischen Opern. Sie zeigt eine Reihe von Enthüllungen, weil das Mädchen Judith alle Räume im Schloss ihres Gemahls kennenlernen und mit Licht durchfluten will. Das gelingt ihr nur rudimentär; schließlich landet auch sie hinter der siebenten Tür und darf Blaubart als Nacht dienstbar sein. Die Musik ist impressionistisch mit einigen expressionistischen Momenten, sie kann die Zuhörerinnne und Zuhörer in ihren Bann ziehen. Unbestritten hat sie Qualität. Was man von Carl Orffs Musik nicht sagen kann. Da gibt es lange Minuten, wo ihm nichts anderes einfällt als Paukenwirbel und Windmaschine. Das Holzschnittartige fällt nach der raffinierten Komposition von Béla Bartók doppelt auf und wirkt primitiv. „De temporum fine comoedia“  hat allerdings mit dem Thema „Weltuntergang“ das viel aktuellere Sujet. Da gehen einige Textstellen unter die Haut. Auch dem Regisseur Romeo Castellucci ist da vielmehr eingefallen. Die Verwandlungen im „Blaubart“ werden, wenn überhaupt, nur angedeutet. Judith muss im Wasser waten und die Umwelt mit Gasflammen belasten. Nur im sechsten Bild wird es kurz hell auf der Bühne, da sieht man das primitive Metallbett,  auf dem die Ehe vollzogen wird, nachdem Judith unzählige Damenslips ausgezogen hat. In "De temproum fine comoedia" gibt es dagegen immerhin eine Steinigung, mehrfachen Kindesmord, die Auferstehung aus dem Bühnenboden und andere einprägsame Bilder. Die Menschheit kurz vor dem Ende als kastrierte Schafherde zu zeigen, ergibt einen gewissen Sinn.

Musikalisch steht das ganze unter der Leitung von Teodor Currentzis, und das ist nicht zu übersehen, wird er doch durchgehend von einem Scheinwerferkegel ausgeleuchtet. Er dirigiert sicher und routiniert. Ob er einem anderen Orchester – es spielt das Gustav Mahler Jugendorchester – mit seinen ausdrucksstarken Händen differenziertere Töne entlocken kann?

Star des Abends war sicher Ausrine Stundyte als Judith, die nicht nur gesanglich sondern auch darstellerisch höchsten Ansprüchen genügt hat. Mika Kares kommt ihr als Herzog Blaubart durchaus nahe. In der Oratorienoper wurden die kleinen solistischen Partien von Mitgliedern des musicAeterna Chors gesungen. Der Bachchor Salzburg, der Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor und zahlreiche Tänzer und Statisten fürchteten sich gekonnt vor dem Weltuntergang. Dass Carl Orffs Werk 1973 in Salzburg unter Herbert von Karajan ein Erfolg war, ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass es nicht von einem wirklichen Kunstwerk konkurrenziert wurde.

Nach dem „Blaubart“ wurde herzlich aber kurz applaudiert. Nach Carl Orffs "De temporum fine comoedia" blieb das Saallicht verdächtig lange dunkel. Die Publikumszustimmung war anhaltend, echte Begeisterung kam aber nicht auf.

Wertnote: 7,5/10 Punkten

© Richard Schmitz