Rezensionen

Falstaff mit Filmriss.

13. August 2023, 09:28 Uhr

Falstaff 2023: Gerald Finley (Sir John Falstaff), Elena Stikhina (Mrs. Alice Ford)
SF/Ruth Walz

Gestern hatte bei den Salzburger Festspielen „Falstaff“ von Arrigo Boito und Giuseppe Verdi Premiere. Die Inszenierung von Christoph Marthaler war mit Spannung erwartet worden. Unser Opernexperte Richard Schmitz berichtet. 

Im Steinbruch von St. Margarethen wurde die Idee, eine Oper als Filmprojekt zu sehen, um Klassen professioneller umgesetzt. In Salzburg gelingt die Collage mit Filmen  Orson Welles Filmen mit der genialsten heiteren Oper der Musikliteratur in keiner Szene. Die Gedankenspielerei „Wenn ich Du wäre, wer bin dann ich?“ führt lediglich zur banalen Einführung eines Regisseurs, der einen Film über Falstaff dreht. Aber selbst das wird nicht durchgehalten, weil sich im zweiten Teil Frau Ford den Regiesessel arrogiert. Übrigens einer der wenigen Augenblicke der überrascht, wie es bei einer Pointe sein sollte. Alles andere ist vorhersehbarer Slap-Stick. Die dreigeteilte Bühne, links ein Fernsehzimmer mit bequemen Fauteuils, rechts ein Vorgarten mit Swimming-Pool und in der Mitte ein undefinierter Raum, der weder das Wirtshaus zum Hosenbande noch den Wald im Finale andeuten will. Anna Viebrock ist für diese Themenverfehlung gemeinsam mit zwei Assistenten verantwortlich. Wozu benötigt man für dieses Nichts auch noch Assistenten? Es wird gar nicht versucht, Empathie für die Frauen zu entwickeln, oder gar für den Titelhelden.

Dabei wäre bei Falstaff die Mitleidmasche durchaus angebracht gewesen, ließ sich doch Gerald Finley als indisponiert entschuldigen. Finley hat seine Stimme nur sehr vorsichtig eingesetzt; das hat zu einigen berückend schönen Pianophrasen geführt. Allerdings hat die stimmgewaltige Titelfigur gefehlt. Die zentrale Auseinandersetzung mit Ford und den vielen Facetten und Stimmungen blieb eindimensional. Simon Keenlyside als Ford konnte auch nach dem „Sogno“-Monolog nicht abräumen. Auch Elena Stikhina hatte es ohne Widerpart schwer die Alice zu gestalten. Gemeinsam mit Tanja Ariane Baumgartner als Mrs. Quickly, Cecilia Molinari als Meg und Giulia Semenzato als Nannetta bildete sie aber ein beachtliches Damenquartett. Bogdan Volkov sang einen wunderbaren Fenton. Ob man dem verdienstvollen Ingo Metzmacher einen guten Dienst erwiesen hat, ihn hier bei einer Verdi-Oper einzusetzen, darf bezweifelt werden. Das geistreiche Humorvolle in dieser Alterspartitur ist nicht seine Sache. Die mangelnde Personenführung sollte ihm eigentlich zugute kommen; es wird über weite Teile statisch mit dem Gesicht zum Dirigenten gesungen. In der abschließenden Fuge wankt Marc Bodnar als Orson W. über die Bühne. „Tutto nel mondo è burla, l´uom è nato burlone“. Der Mensch wird als Spaßmacher geboren. Leider nicht alle, manche glauben nur, dass sie Spaßmacher sind.

Das Publikum zollte den Sängern Respekt und verließ dann fluchtartig das große Festspielhaus. Ein missglückter Abend. Die Sänger, die Wiener Philharmoniker und der Staatsopernchor haben dafür gesorgt, dass ich  7,2/10 Punkten vergeben kann.

Wertnote: 7,2/10 Punkten

© Richard Schmitz