Rezensionen

Freischütz.

25. März 2023, 08:15 Uhr

William Minke TAW

Mittwoch hatte Carl Maria von Webers „Freischütz“ im Museumsquartier eine umstrittene Premiere. Die Rezensionen in den Tageszeitungen waren durchwegs negativ. Gestern war unser Opernexperte Richard Schmitz in der zweiten Aufführung. Hören und lesen wir, ob er auch so kritisch ist.

Nach den Kommentaren der Printmedien „Feindliche Übernahme“ „Oper als Mattscheibe“ „Schickt den Teufel zum Teufel“ „So schafft sich die Oper ab“ war ich auf das Ärgste gefasst. Lediglich der Adorno-Schüler im Standard hat in den „Wäldern das Unbewusste“ entdeckt. Nicht einmal das hat stattgefunden. Oper als Traum der weiblichen Hauptfigur zu inszenieren, ist zwar nicht neu, kann aber einen gewissen Reiz haben. Das gelingt noch halbwegs im ersten Akt, wird aber von Akt zu Akt zunehmend zur Plage. Dass sich die Melancholie der Agathe und der sanguinische Charakter des Ännchen in der Figur der Agathe widerspiegeln, lässt sich noch nachvollziehen, dass Kaspar ein harmloser Fotograf ist, schon weniger. Bei der eigentlichen Problemfigur Max konnte ich keinerlei Charakterisierung erkennen. Die neurotische Angst in Entscheidungssituationen zu versagen wird kaum thematisiert. Gesungen wird hinter einem Schleier, möglicherweise verstärkt. Der vielgepriesene ungarische Regisseur David Marton lässt die Sänger live filmen. Auf der Leinwand sieht man vieles in Großaufnahme. Ein unmittelbarer Kontakt mit dem Publikum findet nicht statt. Mit zahlreichen Videotricks wie Überblendungen und wechselnden Ausleuchtungen soll der Eindruck des Traumhaften entstehen. Herausgekommen ist dabei ein unübersichtliches Durcheinander, das die Augen strapaziert, weil kein logischer Zusammenhang erkennbar wird. Vollkommen daneben geht die bedeutendste Schlüsselszene, die Wolfsschlucht. Gestern wird wohl niemand bemerkt haben, dass mit ihr die Geschichte der deutschen Romantik begonnen hat. So harmlos kann man das nicht sehen.

Gesungen wurde respektabel. Jacquelyn Wagner konnte die Agathe singen aber nicht gestalten. Tuomas Katajala zeigt als Max seine sichere Tenorstimme, Sofia Fomina singt die Ballade von Nero dem Hofhund in einem Hauskonzert, da geht die Pointe ganz verloren. Max spielt da auf einer Geige die Cellostimme. Alex Esposito ist natürlich als Fotograf wenig dämonisch. Das Finale wird konzertant gesungen während Agathe auf der Leinwand über den Karlsplatz irrt und dazwischen Würstel verkauft. Der Arnold Schoenberg Chor und die Wiener Symphoniker können auch nichts zur musikalischen Qualität beitragen, weil Patrick Lange am Pult durch nichts zu beeindrucken war. Weder durch die geniale Partitur Carl Maria von Webers noch durch den Einsatz der Sängerinnen und Sänger: er schlägt uninspiriert den Takt. Das konnte ich bestens beobachten, weil ich direkt neben einem Monitor gesessen bin. Das Publikum bedankte die Sänger mit Szenenapplaus, buhte bei jeder Gelegenheit und am Ende beim Verbeugen der Kameramänner, wohl stellvertretend für die Regie. Der „Freischütz“ ist sicher heutzutage schwer zu realisieren, weil uns das Verständnis für die Deutsche Romantik verloren gegangen ist; aber diese Inszenierung wird zurecht abgelehnt.

Wertnote: 4,5/10 - aber nur wegen der gepeinigten Sänger.

Liebe Hörerinnen und Hörer. Hoffentlich kann ich ihnen morgen von der Welturaufführung der neuen Operette „Letzte Verschwörung“ aus der Volksoper besseres berichten.