CD der Woche

Aus den Schatten Richard Wagners.

2. März 2024, 07:25 Uhr

(c) Erato

Interpreten: Michael Spyres, Les Talens Lyriques, Christophe Rousset
Label: Erato
EAN: 5054197879821

Der amerikanische Sänger Michael Spyres wurde im Jänner in Amsterdam im Rahmen der „Oper! Awards“ der Fachzeitschrift „Oper!“ als bester Sänger ausgezeichnet. Bei dieser Gelegenheit sang er zum ersten Mal öffentlich „Mein lieber Schwan“ aus Richard Wagners „Lohengrin“. Ein nächster Schritt in seiner beeindruckenden Karriere als Sänger, der ihn diesen Sommer erstmals nach Bayreuth führt. Quasi am stimmlichen Weg zum Siegmund der "Walküre" entstand sein jüngstes Album „In The Shadwos“. Aufgenommen mit Les Talens Lyriques unter Christoph Rousset.

Michael Spyres lässt sich in keine Schublade stecken. Seine Stimme als auch sein Repertoire sind ungemein vielseitig. Er erkundet das Repertoire des Baritenor, beschäftigt sich mit der Entwicklung der Tenorstimme im Barock, gilt als Belcanto-Spezialist mit großer Leidenschaft für Rossini und nähert sich jetzt dem „labyrinthischen Wald“ Richard Wagners. Und es wäre nicht der kreativ forschende Künstler Michael Spyres, wenn aus dieser Annäherung an Wagner nicht ein CD-Projekt geworden wäre. „In The Shadows“ nimmt uns auf eine faszinierende Reise mit, bringt Licht in Wagners Schatten mit Arien seiner Vorläufer und Zeitgenossen,

Abseits der Tenor-Dauerbrenner eines Max aus Webers „Freischütz“, eines Pollione aus Bellinis „Norma“ und Beethovens Florestan aus „Fidelio“, zeigt Michael Spyres mit heute im Spielplan verschwundenen Werken, welche Fährten Wagner aufgenommen hat. Dieser hat sogar zugegeben, dass ihn die Opéra-comique „Joseph“ von Étienne Méhul in seiner musikdramatischen Behandlung des Orchesters beeinflusst hatte. Michael Spyres serviert den Earl of Leicester in Rossinis „Elisabetta, regina d’Inghilterra“ als Vorläufer des jugendlichen Heldentenors. Diese dramatischen Koloraturen haben wiederum Giacomo Meyerbeers Gestaltung des Ritter Adriano in „Il crociato in Egitto“ beeinflusst. So verhält es sich auch mit Gaspare Spontinis letzter Oper „Agnes von Hohenstaufen“. Michael Spyres singt die Arie des Heinrich „Der Strom wälzt ruhig seine dunklen Wogen“ erstmals in der originalen deutschen Fassung!

Der Komponist Heinrich Marschner ist heute so gut wie vergessen. Operneingeweihte schätzten „Hans Heiling“. Wagner ließ sich besonders vom Prolog vor der Ouvertüre inspirieren, ein Thema Marschners fand als Leitmotiv Einzug in den 2. Akt Walküre. Stefan Mickisch-Geschulte wissen Bescheid. Michael Spyres schließt seinen Entdeckungs-Parcours mit dem großzügigen Schattenspender Richard Wagner, "gerade noch" Arien aus „Die Feen“, „Rienzi“ und „Lohengrin“.

Michael Spyres ist mit seiner sicher und strahlenden Höhe sowie seiner gewichtigen Tiefe ein echter Baritenor. Die Wechsel der Register gelingen ihm mühelos. Er wird nicht nur begleitet, er musiziert mit Les Talens Lyriques unter Christophe Rousset. Das historische Instrumentarium befeuert und besänftigt zugleich, je nach verlangter Emotion. Es bleibt dadurch mehr Spielraum für musikalische Entfaltung. Michael Spyres nützt diesen souverän. Alles Gute für das Bayreuth-Debüt! (UM)