Rezensionen

The Indian Queen.

3. August 2023, 11:28 Uhr

"The Indian Queen" Henry Purcell, Salzburger Festspiele 2023
SF/Marco Borrelli

Wie die Premiere wurde auch die Derniere gefeiert. Peter Sellars hat aus der unvollendeten Partitur etwas Neues geschaffen. Die Musik von Henry Purcell blieb nicht nur unangetastet, sie wurde auch noch mit anderen Stücken des Komponisten ergänzt. Lediglich der Text wurde zur Gänze geändert. Die indianische Prinzessin Teculihuatzin wird auf den spanischen General Don Pedro de Alvarado angesetzt, um ihn auszuforschen und zu vernichten. Doch sie verliebt sich in ihn und schenkt ihm eine Tochter. Das Morden und Vernichten ihrer Stammesgenossen kann sie nicht verhindern. Das Werk wird konzertant – wenn wir schon bei semi sind – eigentlich semi-konzertant aufgeführt. Chor und Orchester sitzen auf der Bühne, vor dem Orchester wird die Handlung angedeutet. Da es zum neuen Text keine Musik gibt, müssen die Sänger vieles pantomimisch darstellen. Aus den gesprochenen Texten lässt sich das Geschehen nur in Bruchstücken herauslesen.

Da kommt es natürlich vor allem auf die Sängerin der Titelfigur an. Jeanine De Bique singt und gestaltet die Indianerin bravourös, auch die Verführungsszene gelingt pantomimisch. Sie wäre der ideale Mittelpunkt der Inszenierung, gäbe es da nicht Teodor Currentzis. Der beherrscht tänzelnd die Bühne. Das Utopia-Orchester und der Utopia-Chor gehorchen ihrem Meister akkurat. Das Ergebnis ist wunderschöne Musik, meist im Piano. Fortestellen sind selten, auch der Chor ist vor allem leise unterwegs. So viel „heiße Luft“ wird auf die Dauer fad. Doch dann kommt auf einmal ein Diminuendo und es bleibt einem vor Begeisterung der Mund offen. Dass man dieses Piano noch leiser ausklingen lassen kann ist bewundernswert und macht begreiflich, warum Teodor Currentzis als „überirdischer“ Dirigent gesehen wird. Im Laufe des Abends vergisst man seinen Narzismus, wartet auf besondere Klangeffekte und freut sich. Es ist der Auftritt von Teodor Currentzis.

Die Sängerinnen und Sänger haben nicht besonders viel zu tun. Jarrett Ott ist ein Kraftlackel von einem Mann, der skrupellose Eroberer ist er kaum. Sogar in seiner einzigen Arie muss er Gewissensbisse formulieren. Die übrigen Protagonisten singen durchaus auf Festspielniveau. Peter Sellars hat Henry Purcell nicht revitalisiert. Er hat ein neues Werk geschaffen, das interessant und beeindruckend ist, weil die Erobererproblematik nicht einseitig moralisierend gebracht wird. Die differenzierte Betrachtungsweise klammert aber die Verbrechen des 16. Jahrhunderts nicht aus. Von Purcell ist viel getragene Musik erhalten, auf dramatische Ausbrüche wartet man vergeblich. Auch Currentzis hat es nicht darauf angelegt. Um die gesprochenen Texte von Rosario Aguilar bemüht sich Amira Casar. Ihr gehauchtes Genuschel trägt nichts zum Verständnis der Handlung bei.

Standing Ovations nach dem Ende, aber eher mit Betonung auf stehend  und weniger im Sinn von ausdauernd: jeder war froh, dass man endlich aufstehen konnte. Als das Licht in der Felsenreitschule anging, war der Applaus schnell zu Ende.

Wertnote: 8,2/10 Punkten

© Richard Schmitz