Rezensionen

Macbeth in Salzburg.

7. August 2023, 12:20 Uhr

Macbeth 2023: Vladislav Sulimsky (Macbeth), Asmik Grigorian (Lady Macbeth)
© SF/Bernd Uhlig

Gestern (6. August 2023) wiederholten die Salzburger Festspiele Giuseppe Verdis „Macbeth“. Wie hat unser Opernliebhaber Richard Schmitz die diskutierte Produktion gesehen?

Es wundert nicht, dass die Premiere vor einer Woche wenig Zuspruch gefunden hat. Dabei ist der Grundgedanke, dass die Lady zur Verkörperung des Bösen geworden ist, weil sie keine Kinder kriegen kann, nicht von der Hand zu weisen. Fruchtbarkeit war in Königshäusern eine Conditio sine qua non. Das ist auch heute noch so. Dynastien können nur bestehen, wenn es Nachkommen gibt. Aber William Shakespeare beschränkt seinen „Macbeth“ nicht auf dieses eine Motiv. Schließlich heißt die Oper auch „Macbeth“ und nicht „Lady Macbeth“. Das Herausstellen des Kindermotives wird der Persönlichkeit des Titelhelden nicht gerecht. Machthunger bis zum Mord, Gewissensbisse bis zum Wahnsinn, getrieben sein durch die eigene Tat, das Nicht-mehr-aufhören-können. Alle diese Motive findet man in „Macbeth“. Sie werden von Krzysztof Warlikowski vernachlässigt. Statt dessen müssen 24 Kinder und ihre mörderische Nanny sterben. Die Königserscheinungen sind Kinder mit dem Gesicht von Banco. Kinder verstärken den Chor der Hexen: „Macbeth im Kindergarten“. Ungeklärt bleibt auch die Zeit in der die Handlung spielt. Manchmal 20er-Jahre des 20. Jahrhunderts, manchmal noch näher zur Gegenwart. Handys oder Autos fehlen erfreulicherweise, aber der obligatorische Rollstuhl, der in Salzburg gerne gezeigt wird, fehlt nicht. Auch nicht die weibliche Hauptrolle barfuß im Negligé. Man vermisst kein Klischee der modernen Regie. Vollkommen daneben gegangen sind die Hexenszenen, die von der Seite hereingeschoben ein Damenkränzchen im Altersheim suggerieren. Hört man in Giuseppe Verdis skurrile Musik hinein, sollte man eigentlich subtilere Assoziationen haben. Originell immerhin, dass Macbeth und die Lady nicht durch Suizid oder in kriegerischen Auseinandersetzungen sterben, sondern vom Chor gelyncht werden.

Die musikalische Realisation ist viel erfreulicher. Asmik Grigorian singt eine wunderschöne Lady. Bis zur Forderung Verdis, zum richtigen Ausdruck auch hässlich zu singen, ist sie zwar meilenweit entfernt. Aber ein beachtlicher Schritt der Sängerin Richtung dramatisches Fach. Vladislav Sulimsky war ein guter Macbeth, der den Schlussmonolog liegend bewältigen musste. Die schönste Stimme hat Tareq Nazmi. So bedauert man sehr, dass Bancuo so früh ermordet wird. Seine Arie wurde als einzige mit Szenenapplaus bedacht. Das war auch darauf zurückzuführen, dass Philippe Jordan die Höhepunkte wenig herausarbeitete. Jonathan Tetelman und Evan LeRoy Johnson imponierten mit ihren großen Stimmen als Macduff und Malcolm. Warum Macduff die Kammerfrau und den Arzt erschießt, Macbeth und die Lady aber leben lässt, bleibt unklar. Die Wiener Philharmoniker und der Staatsopernchor stellen ihre brillante Routine zur Verfügung.

Das Publikum applaudierte brav solange es finster im Saal war. Begeisterung schaut anders aus.

Wertnote: 7,2/10 Punkten

© Richard Schmitz