Rezensionen

Neue Ära an der Wiener Volksoper.

4. September 2022, 09:45 Uhr

Szenenbild aus der Operette "Die Dubarry" an der Wiener Volksoper
Martin Enenkel (Labille), Harald Schmidt (Ludwig XV.), Annette Dasch (Jeanne Beçu)
Barbara Pálffy, Volksoper Wien

Gestern Abend ging an der Wiener Volksoper die erste Premiere der neuen Volksoperndirektorin Lotte de Beer über die Bühne. Man gab die Operette “Die Dubarry” von Carl Millöcker und Theo Mackeben. Bernadette Spitzer war dabei.

Man durfte gespannt sein. Lotte de Beer hat im Vorfeld für Wirbel gesorgt, weil sie einen Gutteil des bewährten Volksopern-Ensembles nicht übernommen hat. In der Produktion der Dubarry finden sich aber doch einige, dem Volksopern-Publikum vertraute Namen. Interessant auch, dass die erste Frau an der Spitzer der Volksoper zum Einstand ein Stück gewählt hat, das die wahre Geschichte einer Prostituierten erzählt. Die Dubarry war eine arme, aber besonders attraktive Frau, die in einem Pariser Nobel-Bordell den Grafen Dubarry kennenlernte, mit dessen Hilfe sie die offizielle Mätresse von König Ludwig XV. wurde. Hier endet die Operette. Dass die Dubarry 1793 tragisch auf dem Schafott der Französischen Revolution endete, hätte dann doch nicht ins heitere Genre gepasst.

Das Stück gibt es in zwei Versionen. 1879 wurde Carl Millöckers  im Theater an der Wien uraufgeführt. 1931 gab es eine Umarbeitung von Theo Mackeben in Berlin. Und 2022 hat der deutsche Dirigent Kai Tietje daraus eine eigene Version erstellt, in der er unter anderem Melodien, die Mackeben gestrichen hat, wieder aufgenommen hat. Vielleicht wollte man diese Achse Wien-Berlin sprachlich zum Ausdruck bringen, denn es wird sowohl berlinert als auch gewienerlt.

Die Dubarry wird in dieser farbenprächtigen Produktion dargestellt von der Berlinerin Annette Dasch. Sie beherrscht die Bühne vom ersten bis zum letzten Auftritt stimmlich und darstellerisch. Es ist ihr Abend. Die Wienerin Juliette Khalil bringt als komische Verkäuferin Margot, die, obwohl völlig untalentiert, Schauspielerin werden möchte, das Publikum regelmäßig zum Lachen.

Kammersängerin Ulrike Steinsky ist hinreißend temperamentvoll in gleich vier kleinen Rollen zu sehen. Höchst unterhaltsam und mit viel Applaus bedacht wird auch Oliver Liebl, der sich in der Pause und zu Beginn des zweiten Teils als Hauslehrer vergeblich bemüht, der Berlinerin Dasch Wienerisch beizubringen.

Verwirrung erzeugt die Inszenierung. Regisseur Jan Philipp Gloger lässt das Stück in der Gegenwart beginnen und in mehreren Schritten in die Originalzeit, die zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, zurückwandern. Und dann aber doch wieder nicht, denn König Ludwig XV. wird vom Entertainer Harald Schmidt gespielt. Und prompt findet sich die Dubarry bei ihrer Audienz in seiner Talkshow. Sehr sehr lustig, reißt einen aber aus dem Stück. Kritisiert wird auch die sexuelle Ausbeutung von Frauen - wofür sich die Darstellerinnen auf der Bühne aber erst recht wieder abgrapschen lassen müssen. Das Publikum reagierte auf die, durch herrlich bunte Kostüme und klare Bühnenbilder komplettierte, Inszenierung entsprechend gespalten. Während es für die Darsteller begeisterten Applaus gab, erntete Regisseur Gloger auch Buh-Rufe. Fazit: Die Inszenierung ist Geschmackssache, die Produktion insgesamt aber musikalisch unterhaltsam und bunt. (bs)

© Bernadette Spitzer