Rezensionen

Orfeo ed Euridice.

5. August 2023, 10:47 Uhr

Orfeo ed Euridice, Cecilia Bartoli, Tänzerinnen und Tänzer, Salzburger Festspiele 2023
SF/Monika Rittershaus

Gestern wurde „Orfeo ed Euridice“ von Christoph Willibald von Gluck von den Salzburger Osterfestspielen in den Sommer übernommen. Intendantin Cecilia Bartoli sang den Orfeo. Unser Opernexperte Richard Schmitz berichtet aus Salzburg.

Es war wieder ein Triumph der Cecilia Bartoli. Allzu leicht ist man verleitet, das als schon fast selbstverständlich zu betrachten. Und doch steckt da eine Dimension dahinter, die alles andere als selbstverständlich ist. Diese große Künstlerin zeigt, was Kunst und Kultur sein kann. Mit voller Hingabe an das Werk Eigenes kreieren und damit Unwiederbringliches zu schaffen. Auch diesmal habe ich einen Orpheus gehört, der aufregend neu war und doch der Komposition entsprochen hat. Die Bartoli macht den Orpheus begreiflich, aber auch die Reaktion Eurydikes wird in dieser Inszenierung verständlich gemacht. Soll sie wirklich das Elysium verlassen? Mit einem Mann der nur wie ein Macho agiert? „Komm und frag nicht!“ Nicht nur die Bartoli, auch Mélissa Petit als Eurydike vermitteln hier die tiefgreifende Intention Glucks in beeindruckender Weise. Da werden, wie es Gluck und Ranieri de’ Calzabigi, der Librettist, wollten, Gefühle von Menschen sicht- und hörbar gemacht. Das war das Ende der Barockmusik und hat die Basis für die Entwicklung der Oper gelegt.

Gestern wurde die Bedeutung dieser Szene noch deutlicher als sonst, weil auf alles Ablenkende verzichtet wurde. Johannes Leiacker gestaltet die Bühne als Einheitsraum mit einer breiten Treppe und holzgetäfelten Wänden. Er verzichtet auf die Schrecken der Furien und die Schönheit des Elysiums. Auch die Kostüme von Ursula Renzenbrink – die Herren in Schwarz, die Damen in weiß, nur die im Elysium dürfen bunte Kleider tragen – üben sich in Zurückhaltung. Alles konzentriert sich auf die revolutionäre Komposition von Christoph Willibald Gluck. Die zwölf Tänzer und Tänzerinnen müssen ihre Aufgaben nur mit ihrer Körperbeherrschung ausdrücken. Überraschend auch, dass der große Schlager „Ach ich habe sie verloren“ textgenau interpretiert wird. „Che faro senz` Euridice?“ „Was soll ich machen ohne Eurydike?“ wird von der Bartoli und Gianluca Capuano am Pult ganz natürlich und daher gehetzt interpretiert, zwei Strophen lang. Erst in der dritten erklingt die Melodie, wie wir es gewohnt sind. Da erblüht die Stimme der Bartoli zu voller Schönheit. Dirigent und Regisseur, Gianluca Capuano und Christof Loy haben sich zusammengefunden und sich ganz auf Gluck konzentriert. Ob die optische Zurückhaltung von Bühne und Kostüm auch im Sinne von Gluck ist, wage ich allerdings zu bezweifeln.

Das Publikum war begeistert und applaudierte weiter, auch als die Saaltüren schon geöffnet waren.

Wertnote: 9,0/10 Punkten

© Richard Schmitz