Rezensionen

Raimund in Kobersdorf.

5. Juli 2023, 09:45 Uhr

Im zwanzigsten Sommer seiner Intendanz hat sich Wolfgang Böck für Ferdinand Raimunds „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ entschieden. Dieses „romantisch-komische Original- Zauberspiel in zwei Aufzügen“ kommt erstmalig in der Geschichte der Schloss-Spiele Kobersdorf zur Aufführung. Eine ausgezeichnete Wahl, auch in Hinblick auf den österreichischen Meister, dessen Stücke mittlerweile viel zu selten auf unseren Bühnen zu erleben sind. 1828, in Franz Schuberts Todesjahr fand die UA im Theater in der Leopoldstadt (dem späteren Carltheater) statt. 

In Kobersdorf vertraut Regisseur Michael Gampe ganz auf den Text und das spielfreudige elfköpfige Ensemble. Eine klassische Herangehensweise, die fast schon selten geworden ist. Dass es aber letztlich nicht mehr braucht, beweist diese Produktion. Inmitten des pittoresken Schlosshofs steht ein Pavillon-Gerüst, das den Bühnenraum markiert. Dazu einige wenige Requisiten – ein Sofa, ein Stuhl, ein Spiegel, eine Birke und - sparsam eingesetzt - ausgesuchte Effekte: Feuer, Regen, Donner. 

Der reiche Gutsbesitzer Rappelkopf ist auf nichts und niemanden gut zu sprechen. Er misstraut sogar seiner eigenen Familie. Und der zukünftige Schwiegersohn passt ihm natürlich auch nicht. Der Alpenkönig führt dem Misanthropen durch geschicktes Spiegeln vor Augen, wie schlimm es um den Menschenfeind wirklich steht und wie falsch er mit der Einschätzung seines Umfelds liegt. Eine Erkenntnis, die am Ende zu Veränderung und Versöhnung führt. Ein herrliches Lehrstück - nicht nur für Psychotherapeutinnen. 

In die Rolle des Grantscherben Rappelkopf – einst von Raimund selbst gespielt – schlüpft in Kobersdorf natürlich Wolfgang Böck. Er ist der Motor der Schloss-Spiele. Vor der Premiere tummelt er sich leutnah im zauberhaften Garten, danach begrüßt er mit einer launigen Rede das Publikum und die anwesende Politik und auf der Bühne, da ist der Publikumsliebling, für viele wohl auf ewig der „Trautmann“, wie ein Fisch im Wasser. Alexander Jagsch als Bedienter Habakuk, der ja „zwei Jahre in Paris war“, ist ein Volltreffer. Elisabeth Veit gefällt als Kammermädel Lischen ebenso wie als lautstark miauende Katze. Gerhard Kasal als Alpenkönig ist nicht nur wegen seiner tenoralen Sprechstimme ein interessantes Gegenüber für Rappelkopf.  

Das Tüpfelchen am I ist die von Helmut Thomas Stippich komponierte und von ihm sowie Maria Stippich und Tita Pesata ausgeführte Theatermusik, in die Wenzel Müllers Originalklänge und Franz Schubert völlig organisch einfließen.  

Die Schloss-Spiele Kobersdorf wissen auch beim Drumherum, wie’s geht: vom Grammelbogatscherl, übers Nussstangerln bis zum Sitzkissen. Von der Produktionsleitung bis zur Feuerwehr. Bravo! 

PS.: Von Wien aus ist das burgenländische Kobersdorf an sich in einer Stunde zu erreichen. Vorstellungsbeginn ist jeweils um 20.30 Uhr, in Summe wird’s also recht spät.  

© Marion Eigl