Rezensionen

Schubert mit allen Sinnen.

27. Oktober 2023, 09:47 Uhr

Der deutsche Sänger Julian Prégardien befindet sich seit 16. Oktober auf Schubert-Residenz in Wien. An für Liedgesang ungewöhnlichen Orten singt er Franz Schuberts und Wilhelm Müllers Liederzyklus "Die schöne Müllerin". Begonnen hat Julian Prégardien im Café Korb. Gestern Abend hat Musikchefin Ursula Magnes das Finale im Sconarium in Bad Schönau in der Buckligen Welt erlebt.

Julian Prégardien begab sich für den gestrigen Abend wie der Müllersbursch selbst auf Wanderschaft. Die Landpartie führte beide, den Sänger als auch den Protagonisten nach Bad Schönau, ein idyllischer Kurort in der Buckligen Welt. Mit einem für Kultur und Projekte dieser Art offenen Bürgermeister. Im Veranstaltungszetrum der Gemeinde, im und auch vor dem Sconarium erlebte das Publikum eine Schubertiade, wie sie zu Schuberts Lebzeiten wohl gewesen sein mag. Fern ab der Stadt traf man sich um zu essen, zu trinken, miteinander zu reden und den Tag und die Nacht zu teilen. Julian Prégardien lud auch seinen Studienfreund und Sänger Johannes Held ein, aus den von Schubert nicht vertonten Müller-Liedern zu rezitieren und auch zu singen. Schon zu Beginn kongenial mit der Gitarre begleitet von Bryan Benner, Leadsänger der Kunstlied-Band The Erlkings. Kulinarisch begleitet von Feuerfleck, Saiblingskaviar oder Fischbauchlappen gegrillt.

Und da es ein Abend „Schubert mit allen Sinnen“ war, kreierte Haubenkoch Uwe Machreich mit seinem Team des in Bad Schönau ansässigen Restaurants TRIAD ein mehrgängiges Menü, serviert in den zu mehreren Akten dramaturgisch fein abgestimmten Pausen zwischen den Liedern. Nicht nur, dass man das Lieben und Leiden des Müllersburschen in der Tat hautnah erleben durfte, von Tisch zu Tisch sozusagen –spielten auf der Bühnen zusätzlich noch, als absolutes Tüpfchen auf dem I die Erlkings auf. Mit ihrer Version der „Schönen Müllerin“ – eingetaucht in den Erlkings-Sound mit Bryan Benners markant lyrischer Stimme und Gitarre, Cello, Tuba und Percussion und Vibraphon. Ein gewaltiges Erlebnis für alle im Saal. So hat man den Zyklus noch nie erlebt. Weder die, die ihn schon zigmal in den Konzerthäusern dieser Welt gehört haben, noch jene Menschen im Saal, die den Zyklus zum erstenmal erlebten. Und mit Daniel Heide verfügt Julian Prégardien über einen Klavierbegleiter, der solistisch das Publikum von einem Raum zum nächsten führt und wenn's passt auch spontan den Leiermann aus der "Winterreise" in eine Überleitung einbaut. So herzhaft frisch und selbstverständlich bietet er Julian Prégardien das ideale "Müllerin-Orchester". Ein Gesamt-Liedkunstwerk begleitet von Tischgesprächen und den einzelnen Gängen, die von Haubenkoch Uwe Machreich aus den Texten der Müllerin heraus inspiriert begleitet wurden. So wurde zwischen der „Ungeduld“ und dem „Morgengruß“ und „Des Müllers Blumen“ geräucherter Bachsaibling, Physalis und Weißer Paradeisschaum serviert. Um nur einen Eindruck zu geben.

Das Leben zieht weiter, wie der Bach weiterfließt, der den hitzigen liebesmüden Kopf des Müllersburschen umfließt. Ob er nun stirbt oder nicht, wurde ebenso diskutiert wie die Zukunft des Liedgesangs. Sie schaut wohl genauso aus: genau dort wo sie einmal gesungen wurden. Im Grunde überall. Und im Grunde für alle. Grundsätzlich. Franz Schubert selbst fungierte als die mitreisende „Jukebox“ seiner weltgewandten Freunde. Julian Prégardien und sein Team haben gezeigt, dass das überall möglich ist. Schubert mit allen Sinnen in Bad Schönau. Ein unvergessliches Erlebnis für jene, die dabei sein durften.

© Ursula Magnes