Rezensionen

Schwanda, der Dudelsackpfeifer.

19. November 2023, 09:17 Uhr

Vera-Lotte Boecker und Andrè Schuen (Matthias Baus)

Gestern Abend (18. November 2023) brachte das MusikTheater an der Wien Jaromír Weinbergers Erfolgsoper „Schwanda, der Dudelsackpfeifer“ im Museumsquartier heraus. Der radio klassik Stephansdom Opernexperte Richard Schmitz berichtet.

Das MusikTheater an der Wien hat sich für die zweite Fassung entschieden. Max Brod hat hierzu das Libretto von Miloš Kareš ins Deutsche übersetzt hat. Jaromír Weinberger folgte den Intentionen von Max Brod und adaptierte auch die Musik. Es ist kein Wunder, dass der ungeheure Erfolg der Oper in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts erst mit dieser Bearbeitung begann und  es waren wieder einmal die Nationalsozialisten, die dafür sorgten, dass die Oper in Vergessenheit geriet. Nach 1945 war dann das Folkloristische nicht mehr progressiv genug, um das Werk wieder zu beleben. Gestern aber erblühte die Musik zu voller Schönheit, vielleicht sogar schöner als in den vorliegenden Einspielungen in tschechischer Sprache. Die Wiener Symphoniker wissen eben, wie man musikalisch „bemakkelt“. Auch ihrem designierten Chefdirigenten Petr Popelka ist das Idiom ja nicht fremd. Warum das Orchester in dunkelblauem Monteuroutfit gespielt hat, weiß ich nicht. Die Protagonisten haben allerdings die ausgefeilte, deutsch Sprache von Max Brod zur Geltung gebracht. André Schuen sang den abenteuerlustigen Schwanda, der immer wieder scheitert, mit seinem eleganten Kavaliersbariton überzeugend. Vera-Lotte Boecker war als Dorota nicht nur stimmlich, sondern auch darstellerisch in Hochform. Pavol Breslik sang den Babinsky hinreißend schön; der zwielichtige Räuberhauptmann blieb da etwas auf der Strecke. Auch Ester Pavlu als Königin mit dem Eisherz, Sorin Coliban als machtbewusster Magier, Krešimir Stražanac als unbeholfener Teufel und die übrigen Solistinnen und Solisten entsprachen dem hohen Gesangsniveau. Den Arnold Schoenberg Chor zu preisen, darf zwar nicht zur Gewohnheit werden, doch er erfüllt auch diesmal seine Aufgabe immer mit professioneller Hingabe. Ein musikalischer Leckerbissen!

Wunderbar die Videopassagen während der Zwischenmusiken, in denen die drei auf der Flucht durch das nächtliche Wien sind, inklusive U-Bahn-Fahrt!

Viele Erwartungen hat die Ankündigung geweckt, dass alle sexuellen Darstellungen simuliert sind und mit höchstem Respekt von einer Intimkoordinatorin umgesetzt werden. Da der Regisseur Tobias Kratzer die Handlung in die Gegenwart verlegt, sind die sexuellen Aktionen weder außergewöhnlich, noch erotisch. Das Reich der Königin ist ein bürgerliches Wohnzimmer, lediglich in der Schafottszene kommt der Regisseur einer Traumwelt näher, die ihm in Anlehnung an Arthur Schnitzlers Traumnovelle vorschwebt. Auch die heruntergekommene Bar, die als Hölle dient, hat wenig von einem Traum. Bemerkenswert, dass in der Hölle sämtliche Sexualpraktiken vertreten sind. Tobias Kratzer outet sich da als streng konservativer Denker. Offenbar gibt es für ihn keine anderen Sünden. Dass die treu liebende Dorota sich am Ende der Ouvertüre und vor dem versöhnlichen Ende mit Babinsky im Bett vergnügt, ist selbst wenn es ein Traum sein sollte, kein gutes Omen für Schwandas zukünftige Ehe. Das musikalische Gustostückerl – die Fuge – bedarf keiner Interpretation durch Videoprojektionen.

Das Publikum war erheitert und zufrieden und jubelte ausgiebig aber recht kurz. Keine Begeisterung aber auch keine Buhs für das Regieteam. Die Erwartungen der Voyeure wurden enttäuscht.  

Wertnote: 8,4/10 Punkten