Rezensionen

Strauss: Salome

16. September 2023, 08:20 Uhr

Tommi Hakala (Jochanaan), Astrid Kessler (Salome)
Wiener Volksoper

Mutig hat die Volksoper ein zentrales Werk des Staatsopernrepertoires herausgebracht: „Salome“ von Richard Strauss. Und zwar in der Salzburger Inszenierung aus dem Jahr 1992 von Luc Bondy. Unser Opernexperte Richard Schmitz berichtet.

Es ist schön in einer Stadt zu leben, in der die zweite Opernbühne ein schwieriges Werk in dieser Qualität präsentieren kann. Die Volksoper hat auch keine Scheu, eine Oper konventionell zu zeigen. Luc Bondys Inszenierung wurde von seiner Witwe Marie-Louise Bischofberger szenisch neu einstudiert. Im düsteren Bühnenbild von Erich Wonder rollte die Handlung gemäß der Partitur und des Textes von Oscar Wilde ab. Das war spannend vom Anfang bis zum Ende und bot den Sängern Gelegenheit den Figuren eigenes Profil zu geben. Sie mussten nicht im Rollstuhl herumfahren oder im Spitalsbett liegen und auf ach so psychologische Neudeutungen Rücksicht nehmen. Sie konnten sich voll der Rolle hingeben. Das hat vor allem Astrid Kessler getan. Ihr Körpereinsatz ist nahezu akrobatisch und bleibt doch erotisch. Sie singt die vielen melodischen Stellen stimmsicher und mit intensivem Ausdruck. Ihre Hingabe an den Text ist beispielgebend. Begeistert erinnert man sich an große Sängerinnen, die diese Rolle schon in Wien gesungen hatten.

Wien hat eine neue Salome.

Wolfgang Ablinger-Sperrhacke macht den zweifelhaften, wankelmütigen Charakter des Herodes sichtbar und überzeugt auch stimmlich. Tommi Hakala hat für den Jochanaan nicht nur eine imponierende Gestalt sondern auch eine imponierende Stimme. Verständlich, dass die pubertierende Salome von ihm geküsst werden will. Eine wunderschöne Überraschung ist Ursula Pfitzner als Herodias. Da wurde sie richtig gefordert. Auch Stephanie Maitland beeindruckt als Page. Das übrige Ensemble bot eine solide Leistung. Da blühten einzelne Stimmen richtig auf. Dass Daniel Ohlenschläger stimmlich gedoubelt werden musste, wie es Lotte de Beer anfangs ansagen musste, ist nicht weiter aufgefallen.

Das Orchester der Volksoper war gut vorbereitet. Omer Meir Welber könnte die vielen Melismen, die ihm die Sänger anboten, auch im Graben zum Klingen bringen. Das könnte differenzierter klingen, das Quintett der Juden hat man transparenter im Ohr.

Es war ein Triumph für die Volksoper. Sie hat gezeigt, dass die Verwirklichung der Partitur größere Wirkung hervorruft, als intellektuelle Neudeutung. Die Demut vor den Genies von Strauss und Wilde wurde stürmisch gefeiert. Auch das Regieteam mit dem doch schon alten Erich Wonder erntete Jubelstürme. Unbedingt hingehen.

Wertnote: 9,2