Rezensionen

Sweet Charity.

14. September 2020, 08:20 Uhr

An der Wiener Volksoper ging gestern Abend die erste Premiere in dieser Saison über die Bühne. Das Musical „Sweet Charity“ von Cy Coleman mögen nicht alle kennen, den größten Hit daraus „Big Spender“ aber mit ziemlicher Sicherheit. Marion Eigl berichtet über einen über weite Strecken schwungvollen Abend.

Draußen lotse ein Farbleitsystem die Gäste zu ihren Plätzen, drinnen erklärte Hausherr Robert Meyer in einem Video humorvoll die aktuellen Corona-Spielregeln im Haus am Gürtel. Derlei Prozedere gehört momentan einfach zum Kulturgenuss dazu, hemmt diesen aber keineswegs. „Sweet Charity“, uraufgeführt in New York 1966, basiert auf dem preisgekrönten Film „Die Nächte der Cabiria“ von Federico Fellini. Neil Simon schrieb das Buch, Dorothy Fields die Gesangstexte und Cy Coleman die Musik. Dieser Cy Coleman war ein exzellenter Pianist, der bereits mit sechs Jahren in der Carnegie Hall auftrat und später für Größen wie Duke Ellington Arrangements anfertigte. Das von Frank Sinatra gern gesungene „Witchcraft“ stammt von ihm. „Sweet Charity“ ist ein klassisches Big-Band Musical, gleichzeitig sind die verwendeten Stile ungemein vielfältig: Swing, Jazz, Latin, selbst eine Passacaglia wird zitiert. Das Orchester der Volksoper Wien unter Lorenz C. Aichner widmet sich all diesen Richtungen mit Verve und größter Spielfreude.

Die Geschichte ist schnell erzählt: Charity Hope Valentine ist  Hostess in einer Bar in New York, trägt das Herz auf der Zunge, gibt mehr als sie nimmt, glaubt fest an die Liebe und wünscht sich ein ganz normales Leben. Mit Oscar scheint ein solches endlich in greifbarer Nähe zu sein. Doch wie ihm erzählen, womit sie ihr Geld verdient?

Lisa Habermann ist in der Rolle der Charity schlicht bezaubernd. Ein rot gelockter Wirbelwind mit starker Stimme und absolut glaubhafter Charaktergestaltung. Aus dem quirligen Haufen ihrer Kolleginnen sei Caroline Frank erwähnt. Regisseur Johannes von Matuschka belässt das Geschehen im Grunde in der Entstehungszeit. Bunte Leuchtbuchstaben, viel Nebel und eine Drehbühne sind die Hauptbestandteile der Inszenierung. Manche Episoden reihen sich stückhaft aneinander, andere Übergänge gelingen wunderbar nahtlos – etwa der plötzliche Wechsel zu einer UBahn-Szenerie. Alexander Kuchinka hat die Texte recht süffig ins Deutsche übertragen. Gör reimt sich auf Sir, aus Fickle Finger of Fate wird „schnöde Schrulle des Schicksals“. Die Choreographiefußstapfen des legendären Bob Fosse sind natürlich immens groß. Damian Czarnecki kreierte viele mitreißende Passagen, ein Höhepunkt ist sicher „Rich Man’s Frug“, das die ganze Volksoper in eine Discokugel verwandelt. Diese Sweet Charity-Produktion an der Volksoper Wien hat einiges zu bieten.

© Wiener Volksoper