Rezensionen

The Greek Passion.

19. August 2023, 19:43 Uhr

The Greek Passion 2023: Aljoscha Lennert (Nikolio), Matthäus Schmidlechner (Michelis), Robert Dölle (Ladas), Gábor Bretz (Priester Grigoris), Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor
SF, Monika Rittershaus

Zu den umjubelten Produktionen der Salzburger Festspiele zählt Bohuslav Martinůs Oper "The Greek Passion". Die „Griechische Passion“ handelt von einem Dorf, das ein Passionsspiel plant und dessen Bewohner sich durch die Rollen, die sie bekommen, seltsam bis tragisch verändern, als Flüchtlinge auftauchen. Bernadette Spitzer mit einer Rezension der englischsprachigen Oper, die 1961 uraufgeführt worden ist. 

Passionsspiele gibt es seit dem Mittelalter. In der Regel sind es Laiendarsteller, die die letzten Tage Christi nachspielen. Im bayerischen Oberammergau seit 400 Jahren. The Greek Passion kommt aber gar nicht zur Passionsgeschichte, denn es spielt im Jahr davor. Der orthodoxe Priester Grigoris verteilt die Rollen. Es gibt beliebtere und unbeliebtere. Den Petrus spielen zu dürfen, ist eine große Ehre. Die Maria Magdalena soll von der Dorfmatratze Katerina verkörpert werden. Sehr plump, leider. Keiner will den Judas spielen, und der auserkorene Panais ist empört, denn er beteuert, er würde Jesus nie verraten können. Einmal dürfen Sie raten, wer den Jesus-Darsteller am Schluss ermorden wird. Die Dorfbewohner identifizieren sich auf beinahe skurrile Weise mit ihren Rollen. Am schlimmsten erwischt es den Schäfer Manolios, der Jesus spielen soll. Er erleidet offenbar das Jerusalem-Syndrom, denn am Ende des Stücks predigt er wie Jesus. Und das war’s auch schon mit dem Stück im Stück, denn dann tauchen Flüchtlinge auf, die Land wollen. Und weiter geht’s mit Klischees, denn der Böse, der das nicht erlauben will, ist der Priester. Derjenige, der sich ihm entgegenstellt, der Gute, ist der Darsteller des Jesus, Manolios. Inhaltlich ist so manches unrund, aber in die Oper geht man ja bekanntlich nicht wegen der Handlung.

Im Stück geht es vor allem um Liebe und Beziehungen, und da wird’s natürlich kompliziert. Am Ende gibt es ein Brautpaar und eine Leiche. Klassisch Oper. Auch fürs Gemüt ist etwas dabei: Am meisten Lacher bekam der auserkorene Palmesel. Ihm gefiel es auf der Bühne so gut, dass er sie nicht verlassen wollte.

Ein dickes Minus erhält das Bühnenbild. Die herrliche Kulisse der Felsenreitschule, die man extrem gut einbauen hätte können, wurde fast vollständig mit grauen Wänden verdeckt. Wozu dann überhaupt dort die Produktion machen? Im selben Hellgrau gehalten sind die Kostüme der Dorfbewohner. Sie werden dadurch verwechselbar. Auch im Klischee verhaftet Manolios, der wie in den klassischen Jesus-Darstellungen lange Haare und Vollbart trägt, weites Gewand und – ernsthaft – Jesus-Sandalen. O je. Bunt sind nur die Flüchtlinge. Und die Blutlache, in der Manolios am Ende lange liegen muss. Sein Darsteller Sebastian Kohlhepp muss sich daher zum Schlussapplaus umziehen. Und dann wird’s noch schlimmer: Statt der Jesus-Sandalen trägt er nun Badeschlapfen.

Fürs Auge ist diese Produktion also nichts. Für die Ohren dafür umso mehr. Ausnahmslos alle Sänger und Sängerinnen überzeugen mit runden, warmen Stimmen. Der Chor hat zum Glück viel zu tun, denn es ist eine Wonne, ihm zuzuhören. Die Musik an sich - für alle Skeptiker des 20. Jahrhunderts – ist tonal mit slawischen Elementen und Zitaten aus Chorälen gespickt. Herrlich anzuhören. Und am meisten Applaus bekamen die Wiener Philharmoniker und vor allem der überragende Dirigent Maxime Pascal. Wenn Sie Gelegenheit bekommen, ein Konzert mit ihm zu hören, gehen Sie hin. Diesem Mann beim Dirigieren zuzuschauen ist faszinierend.

Fazit: Inhaltlich ist die Oper kein Erkenntnisgewinn, die Handlung platt, die Optik fad, aber die Musik und deren Umsetzung durch Ensemble und Orchester ist wahrhaft festspielwürdig, grandios - passioniert. (BS)