Rezensionen

AIDA im Steinbruch.

11. Juli 2024, 09:03 Uhr

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Das alte Ägypten, wie es sich Komponist Giuseppe Verdi und sein Librettist Antonio Ghislanzoni im 19. Jahrhundert vorstellten, hielt am Mittwochabend wieder einmal Einzug im Steinbruch von St. Margarethen, und das bei nordafrikanischen Temperaturen. Mit der an visueller Opulenz kaum zu überbietenden Neuinszenierung der "Aida" durch Thaddeus Strassberger steht die tragische Dreiecksbeziehung bereits zum vierten Mal auf dem Spielplan in der nordburgenländischen Freiluftarena.

Regisseur Strassberger, der 2021 bereits Turndot mit Feuer und Farbrausch in Szene gesetzt hatte, ist mit dieser "Aida" ein Spektakel gelungen, wie es selbst der Römersteinbruch kaum je gesehen hat. Bereits das Bühnenbild, für das Strassberger diesmal selbst verantwortlich zeichnet, ist ein Hingucker. Über dem ägyptischen Tempel, der mit Einsetzen der Dunkelheit zur Projektionsfläche wird, thront ein gigantischer Sarkophag mit Pharao-Relief. Der Nil fließt nicht nur symbolisch, sondern mit echtem Wasser. Brennende Elefanten, dampfende Obelisken und meterhohe Wasserfontänen kredenzen dem Publikum einen deftigen Augenschmaus.

Doch kann derartige Opulenz auch rasch zu Übersättigung führen. Blickt man nach rechts zu den halsbrecherischen Schwertkämpfern, verpasst man die Feuerjongleure auf der linken Bühnenseite und umgekehrt. Vor allem aber läuft man Gefahr, das zu vernachlässigen, worum es in der Oper eigentlich gehen sollte, nämlich die Erzählung, die Musik, die Stimmen und die damit transportierten großen Gefühle. Noch dazu tragen Giuseppe Palellas glitzernde Fantasiekostüme in ihrer visuellen Dominanz dazu bei, dass manche darstellerische Leistung wenig zur Geltung kommt und die Sänger in ihnen beinahe zu verschwinden scheinen.

Besonders deutlich wird dieses Problem in der letzten Szene, als Aida und Radames gemeinsam dem Tod entgegengehen. Aus unerfindlichen Gründen tänzelt zur selben Zeit ein pyrotechnisch ausgestatteter Artist in schwindelerregender Höhe über dem Liebespaar und sorgt für Heiterkeit im Publikum, wo eigentlich Rührung vorgesehen wäre. Die Oper ist also erst vorbei, wenn der Seiltänzer Funken sprüht, könnte einem in Abwandlung eines englischen Sprichwort dazu einfallen.

Gesanglich hat diese "Aida" durchaus auch manches zu bieten. Leah Crocetto in der Titelpartie ist ein stimmkräftiger Sopran und trifft auch die höchsten Töne. Zwischen ihr und ihrem geliebten Radames, mit großem Stimmumfang und klarer Phrasierung gesungen von Jorge Puerta, mag aber nicht so recht der Funke überspringen. Mehr Feuer versprüht da schon Raehann Bryce-Davis als Aidas Herrin und Konkurrentin Amneris, die darstellerisch virtuos zwischen Liebe und Rache, stimmlich zwischen Wärme und Furor changiert, auch wenn ihr Mezzo-Sopran in den Tiefen manchmal etwas rau klingt.

Aus dem soliden Ensemble hervorzuheben ist noch Jongmin Park, der wie schon 2021 in "Nabucco" einem Hohepriester seinen sonoren Bass leiht. Sein Ramphis lehrt einen trotz oder gerade wegen seiner minimalistischen Darstellung das Fürchten. Das Piedra Festivalorchester unter der Leitung von Ivan Lopez-Reynoso gab sich keine musikalischen Blößen, ebenso wenig der Philharmonia Chor Wien.

Das Premierenpublikum war sich uneinig, wie es die Vorstellung finden sollte. Von spärlichem Applaus in den vorderen Rängen bis zu Standing Ovations ganz hinten reichten die Reaktionen. 2025 kann man sich auf Wagners "Fliegenden Holländer" freuen und darauf hoffen, dass sich die Oper in St. Margarethen wieder etwas mehr aufs Wesentliche konzentriert.

(Von Mario Michlits/APA)