Rezensionen

Die Geburt der Oper.

20. September 2021, 07:50 Uhr

Gestern Abend hatte im Theater an der Wien die Geburt der Oper Premiere: Rappresentatione di Anima et di Corpo aus dem Jahr 1600. Noch vor Claudio Monteverdi hat der vielseitige Römer Emilio de’Cavalieri das Libretto von Agostino Manni mit Tönen und Harmonien versetzt. Musikchefin Ursula Magnes war im Premierenpublikum.

Zugegeben ich war etwas skeptisch. Die Langeweile einer Aufführung vor Jahren saß mir noch in den Knochen. Doch Direktor Roland Geyer sollte recht behalten, indem er das Stück über die „Darstellung von Seele und Körper“ Giovanni Antonini und Robert Carsen überließ.

Regisseur Robert Carsen lieferte einen humorigen Prolog und stößt das Publikum in eine laufende Diskussion und holt so das Zeitlose ins Stück. Legt es frei! En passant wird eine Spannung erzeugt, die sich die ganzen 90 Minuten hält. Der letzte Satz im Prolog: „Religion ist immer Theater.“ Es beginnt damit eine gemeinsame Reise durch die immer gültigen faustischen Fragen des Lebens. Jeder und jede kriegt sein Fett ab: Die Blender in Gold, die Suchenden, die Ausschweifenden, die Zögerlichen. Vorgeführt wird auch eine Kirche der Vorsehung, Strafe und Rituale. Körper und Seele gehen so glaubwürdig durch ihre Läuterung, dass eine aufgeklärte Strömung entsteht. Alle werden zum Guten mitgerissen. Am Ende dominiert strahlendes Weiß.

Eine extrem ansprechende Inszenierung von Robert Carsen, der auch Bühne und Licht mitgestaltet hat. Mit der Körper-Choreografie von Lorena Randi fand man sich wie in einem Caravaggio-Gemälde wieder – der Kampf der Körper und Seelen zwischen Himmel und Fegefeuer. Die feinen Details der Kostüme von Luis Carvalho machen dem Auge Lust auf mehr.

Giovanni Antonini hat sein Ensemble Il Giardino Armonico in einen fein besetzten Klangfarbtopf verwandelt. Und er war klug genug, instrumentale Intermezzi einzufügen. Die Klänge legen psychologische Spuren: da der etwas plumpere Körper, dort die graziele Seele. Ideal besetzt mit Daniel Schmutzhard und Anett FritschGeorg Nigl als Zeit und Welt, sowie Florian Boesch als guter Rat machen das Wiener Bariton-Fest komplett. Eine stimmliche Entdeckung ist der italienische Counter Carlo Vistoli – er führt die schwankend Suchenden als Schutzengel zum Ziel. Der Arnold Schoenberg Chor singt brillant und hat auch szenisch einiges zu tun.

Das Publikum war höchst aufmerksam und am Ende begeistert. Großer Jubel!

© Werner Kmetitsch: Carlo Vistoli (Angelo Custode, der Schutzengel), Tänzerinnen & Tänzer