Rezensionen

Dreigroschenoper an der Volksoper.

28. November 2022, 08:15 Uhr

Wiener Volksoper

Die „Dreigroschenoper“ von Kurt Weill und Bertholt Brecht hatte gestern in der Wiener Volksoper Premiere. Sona McDonald in der Rolle des Macheath hatte schon in der letzten Woche für Aufregung gesorgt. Unser Opernexperte Richard Schmitz war gestern dabei.

Die „Dreigroschenoper“ war schon im 18. Jahrhundert als „Beggars Opera“ ein Protest gegen den routinierten Opernbetrieb. Das brachte 1728 und 1928 fulminante Erfolge, weil das Neue auch Anregung für den Repertoirebetrieb brachte. Für die gestrige Realisierung verhieß die Besetzung des machohaften Macheath einen neuen Gedankensprung. Das Prinzip des Rollentausches zieht sich durch die gesamte Inszenierung, doch leider nicht konsequent. Den hemmungslosen Macho, dem die Gefühle seiner vielen Bräute gleichgültig sind, mit einer Frau zu besetzen hätte Reiz. Auch dass die Spelunkenjenny mit einem Mann besetzt ist, wäre noch akzeptabel. Da wären aber auch Polly und Lucy mit Männern zu besetzen gewesen. So ist Sona McDonald heillos überfordert; sie kann weder den selbstbewussten Mann noch den skrupellosen Verbrecher glaubhaft machen. Hoffentlich sehen wir diese wunderbare Sängerin bald in einer, ihr gemäßen Rolle. Johanna Arrouas als Polly und Julia Koci als Lucy machen aus dem Eifersuchtsstreit einen Höhepunkt des Abends. Rührend die Kinderstimme, die am Beginn die Moritat vom Haifisch singen darf. Mrs. Peacham hat auch in der Firma Peacham das Sagen; Ursula Pfitzner nützt diese Gelegenheit weidlich. Die männlichen Protagonisten Carsten Süss als Jonathan Peacham und Marco di Sapia als Tiger-Brown  sind all ihrer Gefährlichkeit beraubt und bleiben daher blass. Auch Oliver Liebl als Spelunkenjenny hat wenig zu melden. Die Regie von Maurice Lenhard macht aus der hochpolitischen Antioper eine gefällige Revueproduktion. Dazu tragen auch die protzigen Kostüme von Christina Geiger bei, die keinerlei vertiefenden Rollenbezug haben. Nicht einmal die Bettler sind als solche zu erkennen. Das nichtssagende Bühnenbild schafft nur im kleinbürgerlichen Puff einigermaßen Atmosphäre. Leider liefert Carlo Goldstein am Pult keine Unterstützung für die durchwegs respektabel singenden Protagonisten. Da fehlt das Gespür für die zündenden Melodien von Kurt Weill. Die zahlreichen Wortpointen von Bertholt Brecht gehen ebenfalls unter. Da man den Text der vielen Schlager kennt, konnte man die Leistung der teilweise fulminanten Sänger würdigen. Es ist kein Zufall, dass alle wichtigen Einspielungen dieses Werkes mit singenden Schauspielern aufgenommen wurden.

Die Chance eines der wichtigsten Werke der Zwischenkriegszeit neu zu interpretieren wurde leider vertan. Das Publikum verließ noch während des Schlussapplauses den Zuschauerraum. Nicht einmal Buhrufer hatte man engagiert. Es wär so schön gewesen, doch so plätscherte der kurze Applaus ohne Protest durchs Haus.

Meine Schlussnote von 6,3/10 Punkten enthält vor allem die Würdigung der allseits geschätzten Sänger.