Rezensionen
Ein neuer Tannhäuser an der Wiener Staatsoper.
23. Mai 2025, 08:20 Uhr
Kritik Tannhäuser
STOP 22. 5. 2025
Gestern hatte in der Wiener Staatsoper Richard Wagners „Tannhäuser“ Premiere. Lydia Steier hat inszeniert. Unser Opernspezialist Richard Schmitz war dabei.
Gestern hat sich wieder einmal gezeigt, was Wien als Opernstadt so besonders macht. Es ist das Wiener Publikum. Im Schlussapplaus wurde fein differenziert. Am meisten wurde dem Chor zugejubelt; gefolgt von der Zustimmung für das Orchester und Philippe Jordan. Die Solisten wurden wenig differenziert. Die Regie kurz ausgebuht. Wobei mir beim Dirigenten aufgefallen ist, dass er nicht mitatmet. Er gibt zwar exakte Einsätze, aber die letzte Übereinstimmung mit den Gesangstimmen stellt sich nicht ein. Der Funke, der auf die Zuschauer überspringt, hat gestern gefehlt.
Clay Hilley war als Tannhäuser stimmlich sicher und konnte eine sorgfältig gestaltete Rom-Erzählung über die Rampe bringen. Erst da hat man erkannt, warum er trotz seiner beleibten Figur überhaupt als Tannhäuser engagiert wurde. Ekaterina Gubanova sang die Liebesgöttin Venus respektabel und steuerte auch das nötige Aussehen bei. Malin Byströms bemühte sich mit ihrem herben Sopran um die Gestaltung der Elisabeth. Die Freude über die Rückkehr Tannhäusers muss sie in der Hallenarie zum Ausdruck bringen, während die Kellner die Tische decken. Leider wurden alle Protagonisten von der Regie im Stich gelassen. Lydia Steier hat, wenn ich dem Programmheft trauen kann, den Zwiespalt zwischen sinnlich erotischer Liebe und liebevoller Zuneigung verstanden, doch nicht inszeniert. Venus und Tannhäuser bewegen sich nicht in einem erotischen Spannungsfeld, das die sieben Jahre Venusberg erklärt. Auch die Ballettpassage ist trotz Beteiligung aller bekannten und unbekannten Geschlechterrollen steril, obwohl mit dem Ambiente der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts eine stimmige Zeit gewählt wurde.
Weniger gelungen ist die Schilderung der gesellschaftlichen Engstirnigkeit der 1940er-Jahre. Außerdem wurde der Sängerkrieg verblödelt und damit die Steigerung der Gefühle Tannhäusers unverständlich gemacht. Er wird ja von den tugendhaften Konkurrenten von Lied zu Lied mehr gereizt, bis er, der den sexuellen Teil der Liebe ausgekostet hat, sich selbst verrät. Diese Szene wurde von Daniel Jenz als Walther von der Vogelweide, Simon Neal als Biterolf, Lukas Schmidt als Heinrich der Schreiber und Marcus Pelz als Reinmar von Zweter routiniert gesungen. In der komödiantischen Situation können sie keine eigene Persönlichkeit entwickeln und Tannhäuser auch nicht herausfordern. Auch Martin Gantner hat es als Wolfram von Eschenbach schwer seine Liebe zu Elisabeth und seine Entsagung zu gestalten. Eine psychologisch durchdachte Personenregie war nicht zu erkennen. Auch Günther Groissböck blieb als Landgraf unbetreut und hatte nicht seinen besten Tag. Im Programmheft outet sich Lydia Steier, dass sie „ein wenig in einer anderen Welt lebt“. Da kann man ihr nur recht geben. Hoffentlich beobachtet sie bis zur nächsten Inszenierung „normale“ Menschen und normale Situationen, damit sie ihre Intentionen ans Publikum heranbringen kann. Vielleicht kann im Repertoirebetrieb eine geschickte Abendspielleiterin einen großen Abend schaffen. Bühnenbild und Kostüme würden das durchaus erlauben. Wieder ein musikalischer Abend, der viel verspricht, wenn man die Regie vergisst.
Wertnote: 7,1/10 Punkten