Rezensionen
Eine neue Così.
17. Juni 2024, 10:19 Uhr
Kritik Così fan tutte
Wiener Staatsoper / Sonntag 16. Juni 2024
Nach langer Zeit kehrte gestern Abend Wolfgang Amadé Mozarts „Così fan tutte“ wieder an die Wiener Staatsoper zurück. Unser Opernliebhaber Richard Schmitz berichtet.
„Così fan tutte“ ist ein schwieriges Werk, das lange Zeit nur wenig aufgeführt wurde. Anfangs mit einem moralischen Bann belegt und nicht mit dem romantischen Ideal der reinen, leidenschaftlichen Liebe vereinbar, blieb die Oper trotz einiger zweifelhafter Umarbeitungen bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts vergessen. Erst Gustav Mahler, Richard Strauss und später Karl Böhm erkannten den unschätzbaren Wert dieses Dramma giocoso. Vor allem die Handlung – zwei Offiziere verführen, um eine Wette zu gewinnen, jeweils die Freundin des anderen, ohne erkannt zu werden – verhinderte, dass Mozarts schönste Oper ein durchschlagender Erfolg wurde. Die Verkleidung war meist hanebüchen und gewollt komisch. Nachvollziehbar war das selten. Der Regisseur Barrie Kosky verlegt das Geschehen in ein Theater. Das steigert die Doppelbödigkeit der Handlung, macht sie aber nachvollziehbar. Vier junge Schauspieler, ein Regisseur und eine Inspizientin treiben die Handlung voran. Ob die beiden Damen das Spiel durchschauen, ob die Verkleidung wirklich täuscht und ob die anfänglichen Emotionen echt sind, spielt da keine Rolle mehr. Mozarts Musik entlarvt und bestätigt die Gefühle dieser jungen Menschen. Dass sie am Schluss auf den Drahtzieher Don Alfonso losgehen, um ihr eigenes Liebesleben zu gestalten, ist ein logischer Schluss. Kosky hat mit den Sängern auch Gestik und Mimik trainiert. Da stehen lebendige Menschen auf der Bühne. Die Bühne auf der Bühne zeigt ein Bühnenportal und auf der drehbaren Hinterbühne Metallstiegen und die Kulissenseile. Kein sehr einladendes Theater. Die jungen Leute tragen anfangs Jeans und Shirts, erst im zweiten Akt tragen Weiberl und Manderl Reifröcke. Das habe ich nicht verstanden.
Musikalisch war der Abend überschattet, durch einen Luftröhrenkatharr von Filipe Manu, dem Sänger des Ferrando. Er spielte die Rolle trotzdem und sang auch die Rezitative. Die Gesangsnummern sang Bogdan Volkov aus dem Orchestergraben. Beide waren hervorragend, Volkov wurde auch nach seiner großen Arie gebührend gefeiert. Die körperliche Gelenkigkeit, die Kosky verlangte, hätte er wohl nicht so schnell beisteuern können. Sein Freund Guglielmo war bei Peter Kellner bestens aufgehoben. Federica Lombardi gestaltete die vielen Gefühlsebenen der Fiordiligi mit Bravour, warum es im Szenenapplaus nach der ersten Arie ein vereinzeltes Buh gegeben hat, bleibt mir unverständlich. Emily D`Angelo ist für die Dorabella etwas herb, singt aber verlässlich. Kate Lindsey brilliert als Despina, belehrt die Mädchen mit ihrer Lebensphilosophie und zeigt auch die komischen Seiten dieser Figur. Christopher Maltman ist stimmlich präsent und zeigt, wie von Kosky vorgesehen, die zynische unangenehme Seite des Don Alfonso.
Zum Ereignis wird der Abend durch die Sorgfalt und Hingabe mit der sich Philippe Jordan der Musik Mozarts widmet; er scheut auch nicht vor den vielen Generalpausen zurück. Der Abend hat Spannung und ist trotz seiner Länge nie langweilig. Das Publikum war begeistert, „Cosi“ wieder im Programm zum haben und bedachte Barry Kosky, der im Sträflingspyjama erschien, mit nur wenigen Buhs.
Wertnote auf der Schmitz-Skala: 8,7/10 Punkten



