Rezensionen
Gehen Sie hin!
3. Oktober 2021, 09:45 Uhr
In der Kammeroper hat das Theater an der Wien gestern „Orphée et Euridice“ von Christoph Willibald von Gluck herausgebracht. Eine interessante Realisierung mit jungen Sängerinnen und Sänger war zu erwarten. Auch der junge österreichische Regisseur Philipp M. Krenn hat an der Kammeroper schon bemerkenswertes abgeliefert. Unser Opernexperte Richard Schmitz war dort.
Die Partie des Orpheus war im Lauf der Aufführungsgeschichte dieses Werkes schon fast in allen Stimmgattungen untergebracht, angefangen von den Kastraten bei den Uraufführungen in Wien und Paris, später Tenöre, Soprane und Mezzosopranistinnen, bis zum Bariton Dietrich Fischer-Dieskau. Das Theater an der Wien hat hervorragende Sängerinnen im jungen Ensemble. Da ging man noch einen Schritt weiter und hat aus dem Orfeo eine Orphée gemacht. Das erspart die manchmal peinliche Hosenrolle. Und Liebe, die alles überwinden will, gibt es ja auch bei gleichgeschlechtlichen Paaren. Sofia Vinnik singt mit reinem Timbre und macht auch die Trauer eines Menschen, der seinen geliebten Partner verloren hat, glaubhaft. Ekaterina Protsenko besteht in der undankbaren Rolle der Euridice tapfer. Souverän singt Miriam Kutrowatz als Amor. Sie springt auch akrobatisch als Bühnenhelferin ein, wenn das Bühnenbild nicht so will, wie es soll. Der Arnold Schoenberg Chor hat auch schauspielerische Aufgaben und gestaltet wie immer hervorragend.
Der Dirigent Raphael Schlüsselberg und der Regisseur Philipp M. Krenn haben aus den vielen Überarbeitungen dieser Oper vor allem die Wiener und die Pariser Fassung herangezogen und eine stringente musikalische Realisation geboten. Der Bach Consort Wien musizierte gekonnt und dramatisch.
Die Verlegung in ein Spitalzimmer und die Vision der Unterwelt gelingen logisch und spannend. Ob die passenden Filmsequenzen von Christian André Tabakoff, Ausstattung oder von Franz Tscheck, Licht, stammen ist dem Programm nicht zu entnehmen.
Der Jubel war einhellig. Liebe Hörerinnen und Hörer: gehen sie hin. Es zahlt sich aus, nicht nur für Liebhaber der Barockmusik. So kann man zeigen, dass Trauer zu allen Zeiten eine erschütternde Emotion war und es auch heute noch ist.
Wertnote: 8,8/10 Punkten.
© Herwig Prammer/TAW: Ekaterina Protsenko (Eurydice), Miriam Kutrowatz