CD der Woche
Hollywood Songbook.
1. Juni 2024, 07:25 Uhr
CD der Woche / KW 22 / 1. Juni 2024
Interpretin und Interpret: Valerie Eickhoff, Eric Schneider
Label: Ars Produktion
EAN: 4260052386453
„Ich kann nicht genau erklären warum, aber diese Musik war für mich wie Liebe auf den ersten Blick.“ Die junge Mezzosopranistin Valerie Eickhoff hat diesen „First-Kiss“-Effekt für die Musik von Hanns Eisler in die Aufnahme von dessen "Hollywood Songbook“ verwandelt; am Klavier begleitet von Eric Schneider. Musikchefin Ursula Magnes über die CD der Woche, eine Studioproduktion, aufgenommen im legendären Hans Rosbaud Studio des SWR, Baden-Baden, das, Detail am Rande, danach abgerissen wurde.
Hanns Eisler, geboren in Leipzig, zog mit seinen Eltern nach Wien, wo er die Volkschule und das Gymnasium besuchte. Vier Jahre lang erhielt er Privatunterricht bei Arnold Schönberg. Die Nationalsozialisten trieben den politisch aktiven Komponisten 1933 ins Exil. Auch die USA waren für den Kommunisten keine Bleibe. Er übersiedelte 1949 in die ehemalige DDR, deren Hymne „Auferstanden aus Ruinen“ Eisler komponierte.
Das Genre Lied hat er gemocht und entscheidend weiterentwickelt. Besonders eindrucksvoll im „Hollywood Liederbuch“ aus dem Jahr 1942, das auch für ihn persönlich eine tiefe Bedeutung hatte, wenn er schreibt: „Für mich ist es hier eine Hölle der Dummheit, der Korruption (einer wahrlich unbeschreiblichen!) und der Langeweile. Das einzige gute ist mein neues Liederbüchlein…“
In den zum Großteil nach Texten von Bertolt Brecht komponierten Liedern entfaltet Hanns Eisler seine große stilistische Bandbreite. Seine Musik ist "in Wörtern biegsam", eine sehr fein zugespitzt sprechende Melodik mit einem frei zwölftönig organisierten Satz. Und immer wieder flackern Jazzmomenten auf und eine gewisser elegischer Eisler-Ton. Der Schmerz über den Verlust und die menschliche Katastrophe in Europa einerseits, die Abscheu gegen den Kapitalismus in den USA andererseits. Wo denn auch Heimat finden, wenn der geistige Boden dazu fehlt.
Pianist Eric Schneider hat die Lieder Ende der 1990er-Jahre bereits mit dem jungen Matthias Goerne aufgenommen. Seiner Arbeit mit Valerie Eickhoff ist diese Erfahrung anzuhören. Nicht nur die Texte fordern, auch Schneiders Begleitung führt Regie. Darauf kann die Mezzosopranistin wunderbar aufbauen. Ungeachtet jeder politischen Einstellung sind Lieder wie „An den kleinen Radioapparat“ oder „In Sturmesnacht“ ein zeitloser Warnruf schleichenden Tyrannen gegebüber wachsam zu sein. Hanns Eisler formuliert es mit den Worten „In einer Gesellschaft, die ein solches Liederbuch versteht und liebt, wird es sich gut und gefahrlos leben lassen. Im Vertrauen auf ein solches sind diese Stücke geschrieben.“ Eisler wandelt auf den Spuren der großen deutschen Liedtradition – und schärft nach. Valerie Eickhoff kommt diesem Anspruch ziemlich nahe. (UM)