Rezensionen

I Puritani.

25. Mai 2022, 08:20 Uhr

Nach der Wiederaufnahme von Vincenzo Bellinis „I Puritani“ am Samstag fand gestern die zweite Aufführung an der Wiener Staatsoper statt. Der radio klassik Stephansdom Opernliebhaber Richard Schmitz berichtet.

Vincenzo Bellinis letzte Oper ist, wie so viele eine Primadonnen-Oper. Mit der Besetzung der Elvira steht und fällt die Wirkung, berühren die Wahnsinnsszenen und begeistern die Koloraturen. Ohne die Wiederbelebung Vincenzo Bellinis durch Maria Callas wäre der ganze Belcanto noch heute unbekannt. Wenn das Haus eine Ausnahmssängerin wie Pretty Yende zur Verfügung hat, liegt es nahe die Inszenierung aus dem Jahr 1994 wieder aufzunehmen. Und die Sängerin hat die Erwartungen erfüllt. Mit schöner Stimmführung singt sie saubere Koloraturen und schwankt immer wieder gekonnt zwischen hellen und wahnsinnigen Momenten. Das macht diese Partie schwieriger, als die Lucia, die ja nur wahnsinnig zu sein hat. Pretty Yende erweist sich wahrhaft als Great Singer. Roberto Tagliavini gestaltet den gütigen Onkel Giorgio mit großer biegsamer Stimme. Adam Plachetka als der Bösewicht Riccardo überrascht mit Durchschlagskraft. Das Schlussduett des 2.Aktes wurde zurecht bejubelt. Ilja Kazakov als Valton, Carlos Osuna als Bruno und Margaret Plummer als Enrichetta erfüllen ihre Aufgaben auf hohem Niveau. Für den Liebhaber Arturo hat Vincenzo Bellini einige ´´´F vorgesehen. John Osborn wagt sich einmal an diesen Ton. Leider kann er den strahlenden, draufgängerischen Helden mit seiner begrenzten Stimme kaum glaubhaft machen. Sein Pech ist außerdem, dass ihn die Puritaner alle um zwei Köpfe überragen. Francesco Lanzilotta gibt dem Werk die nötige Italianitá und Dramatik. Insbesondere nach der Pause gewinnt die Aufführung an Tiefgang.

Das Bühnenbild mit den unzähligen Pendelleuchten vermittelt Zeitlosigkeit aber keine Atmosphäre. Die Kostüme erinnern an ein Klingonenheer. Der Chor ist korrekt gegendert. Da gibt es keinen Unterschied der Geschlechter. Eine Aussage konnte ich in der Inszenierung von John Dew nicht wahrnehmen. Sie hat sich aber immerhin 67-mal bewährt. Dass Riccardo das von Vincenzo Bellini komponierte fine lieto zerstört und Arturo niedersticht, kann nicht nachvollzogen werden.

Ein Abend mit fast durchgängig großartigen Stimmen. Auch das war wieder einmal erfreulich zu hören. Das Publikum war begeistert, es will ja vor allem Stimmen hören. Inszenierungen sind ohnehin nach der Premiere vergessen.

Wertnote: 8,0/10 Punkten auf der Schmitz-Skala

© Gregor Hohenberg/Sony Music Entertainment