Rezensionen

Isacco

6. Juni 2025, 08:20 Uhr

Isacco Kammeroper Wien (c) Herwig Prammer

Das Oratorium „Isacco“ der einst erfolgreichen Barockkomponistin Marianna Martines wurde gestern als Oper in der Kammeroper präsentiert. Unser Opernexperte Richard Schmitz berichtet.

Tatsächlich entpuppt sich dieses Oratorium von Pietro Metastasio durchaus als bühnentauglich. Anfangs lässt uns die Regisseurin Eva-Maria Hockmayr im Glauben, es handle sich um ein Konzert. Die fünf Solisten sitzen und warten auf ihren Einsatz. Doch bald beginnen sie ihre Rollen auch zu spielen. Der Raum weitet sich zu einer spärlich möblierten Gründerzeit-Wohnung, in der Abraham und Isaak, Sara, Abrahams Frau, und Gamari - anfangs Freund Isaaks, später sein älterer Bruder, das bekannte biblische Geschehen reflektieren. Sehr sensibel – mit Kreuzen und einem Christbaum - wird auch zum Ausdruck gebracht, dass auch Gott seinen eigenen Sohn am Kreuze geopfert hat.

Christian Senn schildert mit seiner angenehmen Stimme die Qualen des Vaters, der von Gott angeleitet wird, den eigenen Sohn zu opfern. Sophie Gordeladze differenziert ihre Gefühle als Mutter Sara mit viel Ausdruck. Da wird das Drama spürbar. Der Sopranist Dennis Orellana macht aus dem gehorsamen Sohn, der bereit ist zu sterben, eine Person, mit der man mitleidet. Alle drei bringen aber auch die emotionalen Zwischentöne, die in Metastasios Text stehen, zum Ausdruck. Auch Anle Gou als Gamari kann da mithalten. Andjela Spaic singt den Engel mit klarer Stimme. Die Dirigentin Chiara Cattani unterstützt mit dem Bach-Consort Wien die Sänger bei ihrem Bemühen und bringt die Partitur zum Blühen.

Metastasio hat nicht nur diesen großartigen Text geschrieben, sondern auch an der Entwicklung der Komponistin entscheidenden Einfluss geübt. Seine Förderung reichte über seinen Tod hinaus, weil er sie auch finanziell sicherstellte, sodass sie bis an ihr Lebensende frei komponieren konnte. Die Uraufführung des Oratoriums im Hofburgtheater (!) war ein großer Erfolg. Und das wundert mich nach dem gestrigen Abend nicht. Musikalisch geht das Werk über viele der wiederentdeckten Barockopern hinaus. Die zahlreichen Koloraturen dienen dem Text und nicht der Präsentation von Virtuosität. Schön, dass diese Musik entdeckt wurde. Unser Freund Otto Biba war da auch nicht ganz unbeteiligt.  

Dieser Abend zeigt, dass es schon zu Mozarts Zeiten außergewöhnliche Komponistinnen gegeben hat und dass eine Regisseurin, eine Dirigentin und die Primadonna ein Werk zum Erfolg machen können. Nicht nur Feministinnen sollten hingehen. Sie werden ebenso zufrieden sein wie das Premierenpublikum. 

Wertnote: 8,4