Rezensionen

Jolanthe und der Nussknacker.

10. Oktober 2022, 08:20 Uhr

Szenenfoto Jolanthe und der Nussknacker
Szenenfoto Jolanthe und der Nussknacker
(c) Wiener Volksoper, Ashley Taylor

Gestern hat an der Wiener Volksoper die mit Spannung erwartete erste Premiere der neuen Direktion stattgefunden. Peter Iljitsch Tschaikowsky „Jolanthe“ kombiniert mit dem Ballett „Der Nussknacker“. Unser Opern Experte Richard Schmitz berichtet.

 

Es war eine gute Idee, den Einakter „Jolanthe“ mit dem Ballett „Nussknacker“ zu kombinieren. Schon bei der Uraufführung wurde das Ballett nach der Oper gegeben. Gestern haben wir einzelne Episoden aus dem Ballett als Visionen der blinden Titelfigur im Verlauf der Handlung gesehen. Ich hatte befürchtet, dass die gefälligere Ballettmusik die Oper erschlägt. Das ist nicht passiert. Einfühlsam wurden die beiden Genres aneinander angefügt.  Die Geschichte von der kleinen Prinzessin, der man nicht sagt, dass sie blind ist, wurde bis zur schließlichen Heilung erzählt. Die Oper ist ja der Abgesang Tschaikowskys geworden, sie ist gefällig und enthält nur einen einzigen Konflikt: Wie behandle ich ein blindes Kind? Die Vertiefung der Gefühle der jungen Prinzessin durch das Ballett hat da einiges klarer gemacht. Wenn ich die zahlreichen Kinder im Publikum richtig verstanden habe, sind sie vor der Pause mitgegangen und waren gespannt. Nach der Pause wurde die letzte Szene vor der Pause wiederholt und dann wurde es ernst. Die Schlüsselszene, die Unterhaltung Jolanthes mit Graf Vaudémont, ihrem Verehrer war dann durchaus seriöses Musiktheater. Olesya Golovneva und Georgy Vasiliev haben das gut gemacht. Die Golovneva verfügt über eine schöne durchschlagskräftige Stimme. Die Melismen Tschaikowskys klingen halt in deutscher Sprache nicht ganz so passend. Omer Meir Wellber,der neue musikalische Leiter der Wiener Volksoper, hat die Bearbeitung im Sinne des Werkes vorgenommen. Einige Striche halten die Aufführungsdauer im für Kinder erträglichem Rahmen. Dem Grafen fehlt seine Romanze, mit der große Sänger gerne brillieren. Stefan Cerny als Vater hat mich etwas enttäuscht, weil er wenig pointiert singt. Aus dem übrigen Ensemble ragt noch Szymon Komasa als Ibn Hakia, der Arzt heraus. Die Ballettakademie der Staatsoper zeigt beachtliches Können, wird aber wenig gefordert. Der Bühnenbildnerin Katrin Lea Tag hätte für den paradiesischen Garten mehr einfallen können. Omer Meir Wellber bringt die von ihm bearbeitete Partitur mit dem Volksopernorchester gut zur Geltung. Die Hausherrin Lotte de Beer hat selbst inszeniert. Es ist eine Liebeserklärung an das junge Publikum herausgekommen. Und das ist gut so. Auch die Kinder – vor allem Mädchen – haben sich am begeisterten Schlussapplaus beteiligt. Es ist goldrichtig, die neue Saison mit einem Werk für neues Publikum zu beginnen.

Wertnote: 8,5/10 Punkten

© Richard Schmitz