Rezensionen
Lohengrin an der Wiener Staatsoper.
30. April 2024, 09:23 Uhr
Gestern Abend hatte die Inszenierung der Salzburger Osterfestspiele von Richard Wagners „Lohengrin“ aus 2022 an der Wiener Staatsoper Premiere. Unser Opernexperte Richard Schmitz war dabei.
Christian Thielemann hat bei der Präsentation der nächsten Spielzeit am Sonntag darauf hingewiesen, dass er das Wiener Publikum bewundert, weil es ungeheuer differenziert Beifall spendet und genau nach Leistung abstuft. Daran möchte ich mich heute halten. Den meisten Applaus hat Thielemann selbst erhalten, der natürlich das Staatsopernorchester einbezog. Interessant ist, dass er sich vor allem um das Orchester bemühte. Einsätze für die Solistitinnen und Solisten hat er fast keine gegeben. Das war nach den Proben offenbar nicht mehr nötig.
Besonders das Vorspiel zum dritten Akt war ein Erlebnis. Man durfte es ungestört genießen. Nach der Begeisterung für Thielemann wurde Anja Kampes Ortrud gefeiert. Sie lieferte eine prägnante Studie einer Frau, die ihre Machtstellung verloren hat und alles tut um sie wieder zu erlangen. Stimmlich war sie in Hochform, nur gegen Ende klang sie angestrengt. Auch David Butt Philip errang mit seinem heldischen Timbre die Zustimmung des Publikums. Die visionäre Aura des von Elsa nur erträumten Retters hat er allerdings nicht. Martin Gantner lief als Telramund im Zusammenspiel mit Ortrud auch darstellerisch zu Hochform auf. Georg Zeppenfeld sang achtbar Heinrich den Vogler. Warum der Deutsche König den Brautchor dirigiert, bleibt ein Rätsel. Malin Byström hatte es als Elsa in dieser Inszenierung nicht leicht. Die von Wagner vorgesehene leidende, liebende und schließlich energisch nachfragende Frau hatte sie mit dem Zweifel auszustatten, ob sie nicht doch ihren Bruder ermordet hatte. Eine Figur aus einem Guss kann so nicht entstehen. Die Kraft, ihre Vision dem ganzen Volk aufzuzwingen, strahlt sie schon gar nicht aus. Dass sie am Ende von ihrem offenbar doch nicht toten Bruder erstochen wird, macht das Geschehen auch nicht logischer. Dass Lohengrin das Publikum und nicht Elsa auffordert ihn nie zu befragen, war einer der vielen komischen Momente.
Anna Viebrock hat das Geschehen in die Gewölbe des Wien-Flusses und in die Zwanzigerjahre des vorigen Jahrhunderts verlegt. Jossie Wieler und Sergio Morabito konnten ihre Idee, dass Elsa nicht unschuldig ist, kaum glaubhaft machen. Der Gedanke, dass Heinrich der Vogler Brabant einnehmen und alle Männer rekrutieren wollte, ist da schon interessanter und kam auch gut heraus. Was das Krukenkreuz der Ritter vom heiligen Grab mit der deutschen Einigung zu tun hat, blieb ungeklärt. Heinrich der Vogler hat gleich am Anfang einen Schwächeanfall, was mit seinem Bestreben, die Brabanter tyrannisch zu unterwerfen, nicht zusammenpasst. Das Publikum war froh, die alte Bierhalleninszenierung los zu sein und war enttäuscht, dass es gar nicht so arg sei. Ein vernichtenderes Urteil ist wohl nicht denkbar. Entsprechend war der Buhorkan gegen das Regieteam, das schnell wieder abtrat. Der Jubel für den musikalischen Teil war herzlich aber nicht anhaltend.
Richard Wagners Intention, die Probleme einer bedingungslosen Liebe aufzuzeigen, hat die Regie nicht beschäftigt. Ein spannender Thriller ist es auch nicht geworden, aber immerhin ein Triumph für Christian Thielemann.
Wertnote: 8,4/10 Punkten