Rezensionen

Macbeth an der Wiener Staatsoper.

15. Juni 2021, 08:20 Uhr

Nach 2009 und 2015 kam am Donnerstag Giuseppe Verdis Oper Macbeth in diesem Jahrtausend an der Wiener Staatsoper zum dritten Mal heraus. Die Premiere wurde nicht von allen Kritikerinnen und Kritikern bejubelt. Unser Opernliebhaber Richard Schmitz war in der Folgevorstellung dabei. Wie hat er die Neuproduktion empfunden?

Lassen sie mich mit der Musik beginnen. Philippe Jordan widmete sich der Dramatik dieser Oper. Gespielt wurde die Überarbeitung der Partitur, die Verdi 1865 vorgenommen hatte. Das kam Luca Salsi in der Titelrolle sehr entgegen. Er kann Verdis Forderung nicht nur schön zu singen ungehindert nachkommen. Er darf Schreien Stöhnen und Grunzen. So entsteht das Seelenbild eines machtgierigen primitiven Mannes, der über Leichen geht, die Morde aber doch nicht verkraftet und von Gewissensbissen zermürbt wird. Anna Netrebko tut sich daneben mit ihrem Schöngesang natürlich schwer. Ihre Lady Macbeth bleibt blass, weil die ehrgeizige, boshafte Seite der Figur kaum gestaltet wird. Nur der Wahnsinnsmonolog erweckt Mitgefühl. Die übrigen Darsteller dürfen in der Inszenierung von Barrie Kosky überhaupt nur auftreten, wenn sie etwas zu singen haben. Roberto Tagliavini singt die Arie des Banquo beeindruckend; ebenso hervorragend klingt die Klage des Macduff von Freddie de Tommaso. Kosky konzentriert sich auf die Beziehung zwischen Macbeth und seiner Lady. Für diese ist das Licht gewidmet. Die übrige Bühne ist finster. Mit dieser Dunkelheit möchte er das Grauenhafte dieser Oper unterstreichen. Der Chor bleibt im Off, nur für den Volkschor im letzten Akt darf er auf die Bühne und singt dabei mit voller Hingabe also herrlich. So bleibt das Publikum den ganzen Abend mit einem schwarzen Tunnel konfrontiert, in dem es fast nichts zu sehen gibt. Kein Siegesfest, kein Kampf Mann gegen Mann,  keine Utensilien für die Hexenszene, kein Defilee der Könige. Alles spielt sich im Kopf des Macbeth ab, sogar die Prophezeiungen formt er selber mit den Lippen mit. Das ist nicht nur unsinnig, sondern auch unfreiwillig komisch. Schwarze Krähen und zahlreiche, nackte Hermaphroditen sind kein Ersatz für fehlende Aktion.. Ich nehme an, dass sich alle Hermaphroditen der Welt damals in Schottland versammelt haben, um das Hexenwesen anzukurbeln.

Es ist ein statischer Macbeth geworden, fast schon wieder Rampentheater. Für das Finale gibt es zwei Fassungen: Ende mit dem Tod des Macbeth oder Krönung des neuen Königs. Die Staatsoper spielt beide. Macbeth singt seinen Tod stehend vor dem geschlossenen Vorhang und unterhält sich offenbar amüsiert nachher noch als Toter weiter. Am gestrigen, dem zweiten Abend war der Applaus endenwollend. Der Dirigent, der Titelheld und Anna Netrebko wurden deutlich abgestuft bejubelt. Es war kein Netrebko-Triumph wie 2016 an der MET.

Barrie Kosky hat mich mit dem Orpheus in der Unterwelt in Salzburg begeistert, daher hatte Ich  mir mehr erwartet. Wien hat es mit Macbeth schwer. Auch die vorletzte Inszenierung 2009 musste nach 6 Vorstellungen abgesetzt werden.

Wertnote:  7,0/10 Punkten.

© Wiener Staatsoper