Rezensionen

Meistersinger an der Staatsoper.

5. Dezember 2022, 08:15 Uhr

Michael Pöhn Wiener Staatsoper
Michael Pöhn Wiener Staatsoper

Nach 10 Jahren endlich wieder Richard Wagners „Meistersinger von Nürnberg“ an der Wiener Staatsoper. radio klassik Stephansdom Opernexperte Richard Schmitz berichtet.

Tatsächlich ist die Otto Schenk-Inszenierung aus dem Jahr 1975 das letztemal am 2. Dezember 2012 gespielt worden. Liebe Hörerinnen und Hörer, Leserinnen und Leser, über die Meistersinger brauche ich ihnen wohl  nichts zu erzählen. Deshalb kann ich mich auf die gestrigen Abend konzentrieren. Begonnen hat der Abend mit einem stürmischen Auftrittsapplaus für Philippe Jordan. Das war eine eindeutige Liebeserklärung des Publikums. Auch beim Schlussapplaus wurden nur für Jordan Blumen geworfen. Erfreulicherweise wurde die Ouvertüre vor geschlossenem Vorhang gespielt, das Staatsopernorchester war in Hochform, die Motive erklangen präzise und schwungvoll. Es war schön eine Ouvertüre ohne Pantomime zu genießen. Danach war Michael Volle gehalten, so zu tun, als erinnere sich Hans Sachs an die Ereignisse. Dieser nicht mehr neue Trick hatte erfreulicherweise keine gravierende Auswirkung. Michael Volle sang einen überzeugenden Hans Sachs. Sein tiefes Verständnis des Textes brachte es mit sich, dass die Bedeutung klar heraus kam. Allerdings hat er die kurzen Vokale des öfteren kürzer gesungen, als es die Partitur vorsah. Es war konsequent und daher legitim. In der Intensität der Rollengestaltung konnte nur Wolfgang Koch als Beckmesser mithalten. Der Arme lieh sich für die Festwiese bei den Beatles ein Sergeant Pepper-Kostüm und stürzte damit auch noch ab. Georg Zeppenfeld gab den Pogner. Warum er genötigt war, seine hübsche kleine Tochter auszuloben, konnte er nicht vermitteln. Hanna-Elisabeth Müller verfügt über eine schön geführte Stimme, die kaum über das Orchester kommt. Am besten gelang ihr die Schusterstube, da war auch David Butt Philip als Stolzing lyrisch und intensiv. Im Gesamteindruck konnte er den selbstsicheren Vertreter neuer Musikformen aber nicht vermitteln. Michael Laurenz überzeugte als jugendlicher David. Das übrige Ensemble gestaltete verlässlich ohne Schwachstelle.

Keith Warner hat im Programmheft Gescheites geäußert, das man dann auf der Bühne vergeblich suchte. Das Mischmasch der Kostüme amüsiert manchmal, etwa die Lehrbuben als Mario Figuren. Dass die Jahrhunderte da durcheinandergeraten ist leider verständlich. Die Schneider kommen soeben aus der Synagoge, der Nachtwächter schwingt beim zweiten mal die Sense des Todes. Nach der eher harmlosen Prügelszene schließt der zweite Akt mit der Aufschrift „Wahn“, ob man da auch „Sinn“ denken sollte? Das Bühnenbild von Boris Kudlicka wird von vierstöckigen Baugerüsten beherrscht, die auch die Festwiese einrahmen. Warum nicht die wunderbar große Tiefe des Bühnenraums genutzt wird, bleibt rätselhaft. Immerhin kann man da die Stimmgewalt unseres Staatsopernchores genießen, der gemeinsam mit dem Orchester für Qualität gesorgt hat. Jordan am Pult, Michael Volle und Wolfgang Koch haben uns einen außergewöhnlichen Abend beschert. Die Begeisterung des Publikums war groß und andauernd. Keith Warner wird, wie man dem Kurier entnehmen kann, in der nächsten Zeit einige kleinere deutsche Städte beglücken. Der große Wurf war seine Regie nicht. Sie hat nicht einmal die vereinzelten Buhs verdient.

Wertnote: 8,6/10 Punkten