Rezensionen

Mozarts Figaro an der Wiener Volksoper

24. Mai 2025, 09:40 Uhr

Annelie Sophie Müller (Cherubino), Lauren Urquhart (Susanna), Matilda Sterby (La contessa d´Almaviva), Daniel Schmutzhard (Il conte d´Almaviva), Michael Arivony (Figaro)
© Marco Sommer / Volksoper Wien

Kritik Figaro

Volksoper 24. Mai 2025

Von der gestrigen Premiere von W. A. Mozarts „Le nozze di Figaro“ berichtet Opernliebhaber Richard Schmitz

Die Direktorin der Volksoper, Lotte de Beer, hat für die Neuproduktion von W. A. Mozarts Meisteroper Lotte de Beer als Regisseurin verpflichtet. Das hat mich gefreut, weil ich schon manche Realisierung von ihr gut heißen konnte. Auch die Ankündigung jeden Akt einer der Figuren zu widmen hat mich neugierig gemacht. Doch leider wurde ich bitter enttäuscht. „Le Nozze di Figaro“ gehört zu den seltenen vollendeten Opern; offenbar gestatten weder der Text von Lorenzo Da Ponte, noch Mozarts  Musik das Herausheben auch einer einzigen Figur. Zu genau sind sie aufeinander abgestimmt und ineinander verwoben. Da muss jeder Regisseur scheitern.

In den ersten beiden Akten bietet das Bühnenbild von Rae Smith das Schlafzimmer der Gräfin links und Eingangshalle mit Stiegenhaus rechts, getrennt durch eine Waschküche mit Waschmaschinen - mit vielen Türen Feydeau-Atmosphäre. Mit viel Klamauk und Slapstick läuft das Geschehen ab. Weder die vorrevolutionäre Dramatik des sterbenden Feudalismus noch die Me-too Problematik kommen da zum Tragen. Der „Figaro“ ist nicht nur eine vollendete Oper, sondern vom Sujet her eine ungeheuer moderne Oper. Man sollte sich ihr mit Demut nähern; dazu ist kein Rokoko-Ambiente notwendig.

Auch die Ankündigung des Dirigenten Omer Meir Welber die Rezitative vom Hammerklavier zu begleiten und dabei wie Mozart zu improvisieren hat mich neugierig gemacht. Da war aber wenig Originelles zu hören; meistens die trockenen Stehakkorde von Mozart. Daraus entstand eine Atmosphäre der Beliebigkeit, die den Sängern wenig Gelegenheit bot, ihre Rollen zu gestalten und über sich hinauszuwachsen. Zuerst gelang das Matilda Sterby mit der großen Arie der Gräfin. Da brach auch sofort ein Sturm der Begeisterung los. Liebe Frau de Beer: Das wollen die Wiener Opernbesucher. Ähnliches gelang auch Lauren Urquhart mit der sogenannten Rosenarie. Daniel Schmutzhard und Michael Arivony als Graf und Figaro konnten da nicht ganz mithalten.

Annelie Sophie Müller hat sich als Cherubino tapfer geschlagen. Sie singt und gestaltet beachtlich, auch nachdem ihr erigierter Penis in der Kastentür eingeklemmt war. Damit kein Penisneid aufkommt hat die Kostümbildnerin Jorine von Beek fast allen Damen im letzten Akt auch einen vergönnt. Vielleicht wollte man zum Ausdruck bringen, dass sie Herr des Geschehens sind, auch wenn sie versuchen die Palmerspleite durch eifriges Tragen von Unterwäsche abzuwenden. Ulrike Steinsky macht aus der Marcellina eine Charakterrolle, Stefan Cerny orgelte wie immer. Omer Meir Welber leitete Chor und Orchester sicher durch den Abend. Der Schlussapplaus war kurz aber herzlich und ersparte der Frau Direktor auch das Buh. Vielleicht weil die Logenplätze unbesetzt waren?

Wie im Programm richtig steht: "Cos´è questa commedia ? Was soll diese Kommödie?"

Wertnote: 6,8/10 Punkten

© Richard Riki Schmitz