Rezensionen
Napoleon Jukebox.
26. September 2021, 09:45 Uhr
Die Stiftung Palazzetto Bru Zane erforscht die Französische Musik des 19. Jahrhunderts. Zentrum ist dafür der Palazzetto Zane in Venedig. Gestern wurde unweit davon in der Scuola Grande di San Giovanni Evangelista das Herbstfestival eröffnet. Dabei wird die Musik der Herrschaft Napoleons erforscht. Mit der Frage: Heroisch oder tyrannisch? Musikchefin Ursula Magnes berichtet aus Venedig.
Die Gassen und Kanäle Venedigs sind wieder gut gefüllt. Vorbei die Zeit, wo pandemiebedingt Stille und Ruhe den Aufenthalt in der Serenissima veredelten. Es wurdelt wieder. Und ist auch gut so. Alles andere wäre wohl ein Hohn. Für Musikfeinspitze bietet Palazzetto Bru Zane jeden Herbst ein vertiefendes Festival. Aus Anlass des 200. Todestages untersucht das Festival heuer die Musik zur Zeit Napoleons. Als Soldat, Konsul und schließlich Kaiser, bevor die eigene Hybris dem Schrecken ein Ende setzte. Der Wiener Kongress Europa neu „verteilte“. Ein durchaus vielschichtiges Thema. Ist es musikalisch gesehen doch eine Zeitenwende, was das Repertoire betrifft und war es Napoleon, der in Paris die italienische Oper förderte; aus der Französischen Revolution die Gründung des Pariser Conservatoire als Modell- und Vorzeigeinstitut hervorging. Es geht um die Musik, die das politische umkreist, nicht selten spiegelt. Oft musste dafür das Personal der Antike herhalten. Der gestrige Abend war eine feine Mischung für die Sopranistin Judith van Wanroij und das Streichquartett Quatuor Cambini-Paris. Große Oper im Pocket-Format für die Hausmusik arrangiert, wie sie in den Pariser Palais und Schlössern gegeben wurde. Dazwischen einzelne Sätze aus Streichquartetten der Zeit. Das ergab eine interessante Napoleon Jukebox. Und zugegeben einige Komponistennamen und deren Musik habe ich zum ersten Mal gehört: Georges Granges de Fontenelle oder Jean-François Le Sueur. Große Begeisterung im Publikum über diese Möglichkeit in dieser kammermusikalischen Dichte in die Zeit Napoleons einzutauchen. Was in Venedig durchaus mit besonderer Aufmerksamkeit gesehen und gehört wird. War er doch ein ungebetener Gast und Herrscher. Die Frage heroisch oder tyrannisch – eroica o tirannica – ist somit ein vertiefendes Wortspiel um die Musik. Beethoven als großer Abwesender lässt grüßen. Sind doch viele Komponistennamen in seinem Schatten vergessen worden.