Rezensionen

Porgy and Bess.

15. Oktober 2020, 08:15 Uhr

Im Theater an der Wien kam gestern George Gershwins „Porgy and Bess“ heraus. Gershwin hat ganz bewusst das Werk als Oper verstanden, oft wird sie als Musical missverstanden. Unser Opernexperte Richard Schmitz berichtet von der gestrigen Premiere:

Die gestrige Aufführung basiert auf der Aufführungspraxis, die der Dirigent Wayne Marshall in Südafrika entwickelt hat. Für Wien hat er eine eigene Fassung mit leichten Kürzungen erarbeitet, die aber immer noch über drei Stunden dauert. Nach dem Fall des Apartheit-Systems hat man die Oper als Befreiungsoper verstanden. Der Regisseur Matthew Wild verlegt die Handlung in ein Flüchtlingslager, alle wohnen in Containern. Der christliche Charakter der amerikanischen Farbigen wird weitgehend bewahrt, auch wenn einige Figuren muslimischen Hintergrund haben. Das Rassenproblem wie es gerade heute in den USA wieder hochkocht, spielt eine entscheidende Rolle. Die Obrigkeit wird von Weißen gesprochen und nicht gesungen. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich die Liebesbeziehung zwischen Porgy und Bess stringent und logisch. Auch, dass Bess und nicht Porgy den gewalttätigen Crown ersticht, passt da gut hinein.

Matthew Wild ist künstlerischer Leiter der Cape Town Opera und dürfte von dort auch das Sängerensemble mitgebracht haben. Außer Ryan Speedo Greene, den Sparafucile aus der Staatsoper, habe ich keinen Sänger, keine Sängerin gekannt. Dieser wird als Jake leider schon im ersten Akt getötet. Es entstand eine Gemeinschaftsleistung ohne dass einzelne Sänger herausgestochen wären. Eric Greene gestaltete einen Krüppel, dessen rechtes Bein gelähmt ist, mit Hingabe und vollem stimmlichen Einsatz. Auch Jeanine De Brique berührte als Bess. Der Crown von Norman Garrett war der geforderte Ungustl. Zwakele Tshabalala blieb dem Sportin`Life die nötige Prägnanz leider schuldig.

Das speziell erweiterte Wiener Kammerorchester bemühte sich um den Jazzsound, der sollte aber deutlicher herauskommen. Das Sänger- Ensemble verfügte über diesen Klang routiniert. Man merkt halt, dass sie die Oper im Repertoire haben. Auch Wayne Marshall am Pult strahlte Sicherheit aus. Trotzdem blieb das Wiener Publikum seltsam unberührt. Kaum Zwischenapplaus. Erst nach dem Finale kam Stimmung auf. Es war schön „Porgy and Bess“ wieder einmal gehört zu haben.

Wertnote: 7,2/10 Punkten.

© TAW/ Monika Rittershaus: Pumeza Matshikiza (Bess), Anderson Pinheiro da Silva (Tänzer), Lungile Hallam (Man 4), Luvo Rasemeni (Man 3), Busisiwe Ngejane (Woman 4), Bernardo Ramos Coca (Dancer 1), Ernestine Stuurman (Woman 3)