Rezensionen

Proserpina.

30. Oktober 2021, 08:15 Uhr

Die Neue Oper Wien hat uns wieder eine Österreichische Erstaufführung beschert: „Proserpina“, eine Kammeroper von Wolfgang Rihm nach einem Monodrama von Johann Wolfgang Goethe. Die Uraufführung fand 2009 in Schwetzingen statt. Unser Opernexperte Richard Schmitz berichtet:

Hinter Proserpina verbirgt sich Persephone, die Tochter des Zeus, die von Hades in die Unterwelt ent- und verführt wird. Bei Goethe heißt Hades natürlich Pluto. Wolfgang Rihm konzentriert sich auf die Verzweiflung Proserpinas nach der Entführung; der zweite Teil der Mythologie, in der Ceres sämtliches Wachstum stoppt um ihre Tochter freizupressen, bleibt unerwähnt. Jupiter muss nachgeben und so kehrt Proserpina einen Teil des Jahres zurück und alles sprießt und wächst wieder. Die Jahreszeiten sind geboren.

Wir aber sehen die Entwicklung eines Mädchens zur erwachsenen Frau, bis sie sich zuletzt zu ihrem Hass auf ihren Gatten Pluto durchringt. Rebecca Nelsen singt dieses Solo mit hinreißender Bravour. 70 Minuten totaler Einsatz und am Ende noch ein hoher Ton der genau zur Orchesterstimme passt. Exakter kann man diese Partie nicht singen. Darauf hat mich Maestro Johannes Wildner aufmerksam gemacht. Die Partie ist mit hohen Intervallsprüngen gespickt, wie sie bei Rihm nicht selten sind.

Die Inszenierung von Anna Bernreitner führt uns ein graues Zimmer, in dem Proserpina gefangen ist. Das triste Bühnenbild stammt von Hannah Rosa Öllinger und Manfred Rainer. Dieses Zimmer befindet sich für das Publikum unsichtbar tief im Orchestergraben, sodass wir das Geschehen nur auf einer großen Leinwand verfolgen konnten, das aber dank einer großartigen Kamerafürhrung bis ins letzte Detail. Das vertieft das Gefühl für die Eingekerkerte enorm. Die Bewunderung für Rebecca Nelsen, die die Partie ohne direkten Kontakt zum Auditorium und zum Dirigenten singen muss, steigt ins Unermessliche.

Das amadeusensemble wien sitzt auf der Bühne hinter der Projektionsfläche und beweist wieder seine Kompetenz bei der Interpretation moderner Musik. Walter Kobera ist souverän wie immer. Gegen Ende begrüßen die Damen des Wiener Kammerchors als Parzen ihre neue Königin. Man gönnt ihr den mythologischen Kompromiss. Auch wir freuen uns, wenn sie mit dem Frühling wiederkehrt.

Ein beeindruckender, aufwühlender Abend. Unbedingt anschauen.

Wertnote: 8,6/10 Punkten.