Rezensionen

Rosenkavalier an der Volksoper.

1. November 2021, 09:45 Uhr

Nach 53 Jahren gibt es wieder eine Neuinszenierung des „Rosenkavalier“ in Wien. Die Volksoper hat sich darüber getraut. Unser Opernexperte Richard Schmitz berichtet von dieser außergewöhnlichen Premiere:

Beim Rosenkavalier tu ich mir schwer. Da kenn ich jede Phrase, jede Textpassage. Viele Erinnerungen an besondere Sängerinnenpersönlichkeiten, auch an Sänger und an große Dirigenten schwirren mir da durch den Kopf. Trotzdem wurde der gestrige Abend vergnüglich und befriedigend. Hans Graf ist zurückgekehrt und hat offensichtlich viel geprobt. Das Orchester der Volksoper ist eben ein Wiener Orchester und kann diese durchaus komplexe Partitur mit Hingabe zur Geltung bringen. Hans Graf legt es breit und auf die Pointen bedacht an, ohne dass die Spannung abreißt. Auch das Sängerensemble war bestens vorbereitet. Vor allem auf den ersten Ochs von Stefan Cerny war ich neugierig; und er erfüllte meine Erwartungen. Seine auch in der Tiefe tragfähige Stimme setzte er wortdeutlich und pointensicher ein. Da ging nichts verloren. Er war auch genügend unsympathisch. Mariandel und Sophie hätten einige me-too Anzeigen wegen seiner Zudringlichkeiten einbringen können. Der Octavian Emma Sventelius erinnert mit ihrer durchdringenden Stimme an Gwyneth Jones. Kombiniert mit ihrem knabenhaften Spiel ergibt das eine glaubwürdige Titelfigur. Die Feldmarschallin wird mit Jacquelyn Wagner nicht zur zentralen Figur, die sie eigentlich sein sollte. Sie singt makellos und berührt auch im Zeitmonolog, doch in den dramatischen Stellen ist sie allzu sehr auf die Hilfe des Orchesters angewiesen. Lauren Urquhart ist eine verlässliche Sophie. Morten Frank Larsen könnte seine Pointen als neureicher Faninal differenzierter setzen. Vincent Schirrmacher kommt der Karikatur des italienischen Sängers sehr nahe. Die zahlreichen Ensemblemitglieder erfüllen ihre Aufgaben mit Begeisterung. Der Chor rüppelt sich durch den zweiten Akt und gestaltet auch den Abgang des Ochs mit Bravour.

Josef Ernst Köpplinger hat seine Bonner Inszenierung überarbeitet. Sie verlegt die Handlung ins Jahr 1911, das Jahr der Uraufführung. Das Problem der Standesunterschiede geht in dieser Realisierung unter. Da wäre eine Verlegung gleich in die Gegenwart interessanter gewesen, schließlich gibt es auch heute reiche verwöhnte Rotzbuben und übergriffige alte Männer, auch junge Liebhaber verheirateter Ehefrauen soll es geben. Nett war, dass das Bühnenbild von Johannes Leiacker beim Walzer mitgetanzt hat.

Die Volksoper hat eine Mammutaufgabe bewältigt. Das Publikum war begeistert und belohnte neben den Singschauspielern auch das Regieteam.

Wertnote: 8,6/10 Punkte

Karl-Michael Ebner (Valzacchi), Jacquelyn Wagner (Feldmarschallin), Margarete Joswig (Annina), Chor, Komparserie

© Barbara Pálffy/Volksoper Wien