Rezensionen
Smetanas Litomyšl.
17. Juni 2024, 08:29 Uhr
Bedřich Smetana wurde vor 200 Jahren im ostböhmischen Litomyšl geboren. Grund genug für das Smetana Festival alle 8 Opern des tschechischen Nationalkomponisten auf das Programm zu setzen. Musikchefin Ursula Magnes berichtet aus Litomyšl.
Vorbei an Brünn sind es rund 3 Stunden um mit dem Zug nach Litomyšl zu kommen. Zeit um sich auf das Werk Bedřich Smetanas einzustimmen, indem man ganz einfach aus dem Fenster schaut und ein kleines böhmisches Bierchen dazu genießt. Der Zauber der vorbeirollenden Landschaft führt direkt zu Smetanas „Mein Vaterland“, wo es heißt „Aus Böhmens Hain und Flur“ – der Humus seines Werkes ist in Litomyšl allgegenwärtig.
Eine Parkbank mit den Noten der ersten beiden Takte der „Moldau“ lädt vor dem alles dominierenden Renaissance-Schloss der Waldstein-Wartenbergs zum Verweilen ein. Anlässlich des 200. Geburtstages des Komponisten sind auch die Geburtsräumlichkeiten Smetanas im Schlossareal renoviert und eröffnet worden. Smetana, der Sohn eines Bierbrauers, hat von hier aus seine Karriere gemacht. Er komponierte mehr oder weniger den Soundtrack zum nationalen Unabhängigkeitsgedanken Tschechiens. Vor allem die Oper „Libuše“ ist zu der Nationalmusik schlechthin geworden; uraufgeführt 1881 zur Eröffnung des Prager Nationaltheaters.
Die 66. Ausgabe des Smetana Festivals in Litomyšl bringt noch bis zum 7. Juli alle 8 Opern Smetanas. Am vergangenen Wochenende war „Die Teufelswand“ in einer Produktion der Oper Ostrova, des Mährisch-Schlesische Nationaltheaters zu erleben. Eine ausgezeichnete Sängerinnen- und Sängerbesetzung begeisterte das Publikum in der improvisierten Festivalhalle, da das Schloss aktuell renoviert wird.
Jakub Hrůša und die Tschechische Philharmonie haben das Festival am 8. Juni eröffnet und gaben gestern Semtanas „Libuše“ konzertant. Dabei konnte Jakub Hrůša, Botschafter für das Jahr der Tschechischen Musik, alle Vorzüge des Orchesters zur Wirkung bringen. Die dichten Mittestimmen der Partitur Smetanas und die schönen Aufgaben für die Holz- und Bläsersätze des Orchesters kamen wunderbar zur Geltung. Um „Libuše“ überzeugend zu geben, braucht es eine erstklassige Sängerinnen- und Sängerbesetzung. Diesen Emotionshydranten über die mythische Stammmutter der Přemysliden-Dynastie im Zaum zu halten, erfordert viel musikalische Übersicht einerseits und stimmliche Höchstleistungen andererseits. Mit Kateřina Kněžíková als Libuše und Adam Plachetka als Přemysl von Staditzwaren beide Partien glänzend besetzt. Großer Jubel im Publikum. Glückliche Gesichter auch am Podium.
Es lohnt sich zwischen die Noten und hinter die nationale Fassade zu lauschen. Smetanas Musik ist so reich an Farben und bietet für jedes Tableau ein eigenes atmosphärisches Setting. Berlioz und Schumann geben sich da die Hand. Dass der Text für heutige Ohren grenzwertig klingt, ist verkraftbar. „Libuše“ ist das zentrale musikalische Werk Smetanas – dieses überhaupt und in seinem Geburtstort erleben zu dürfen, macht viel Lust, nächstes Jahr wieder zu kommen. (UM)