Rezensionen

Thérèse Raquin.

17. Dezember 2021, 08:20 Uhr

Die Premiere der Oper Thérèse Raquin von Tobias Picker in der Wiener Kammeroper stand unter keinem guten Stern,  verschoben wegen Corona fiel auch noch die Sängerin der Titelrolle aus. Trotzdem ging die Oper gestern über die Bühne. Unser Opernexperte Richard Schmitz war dabei.

Retterin des Abends war die amerikanische Sopranistin Julia Mintzer, die angereist war, um aus der Kulisse die Rolle zu singen. Schließlich stellte sie die Thérèse doch auch szenisch dar und glänzte mit intensiver Darstellung einer Frau, die gezwungen wurde einen behinderten Cousin zu heiraten, sich in seinen besten Freund verliebt und schließlich ihrem Liebhaber hilft, ihren Mann umzubringen. Wie die Handlung endet, sei hier verschwiegen. Da die Mintzer die Rolle nicht auf ihrer Website führt, hat sie sie wohl in den wenigen Tagen in Wien erlernt und spielen gelernt. Jedenfalls war das Ergebnis erschütternd und vokal imponierend. Da hat alles gestimmt. Sie wurde zurecht gefeiert. Sie gab der Partitur von Tobias Picker eine tiefere Bedeutung. Das Wechseln zwischen Verismo und Romantik wurde dadurch greifbar. Die Musik ist plakativ und scheut auch vor einigen Atonalitäten nicht zurück, bleibt aber vor allem im ersten Akt konventionell. Das wird auch von der allzu realistischen Regie von Christian Thausing und dem kleinbürgerlichen Wohnküchenbühnenbild von Christoph Gehre herausgestellt. Da wird gesoffen, getorkelt und in der Leidenschaft werden Strumpfhosen zerrissen. Man kann Realismus auch übertreiben. Auch wenn die biederen naiven Freunde gut gezeichnet sind, entsteht doch der Eindruck eines banalen Konflikts, wie aus „Schnell ermittelt“. Andrew Morstein kann erst als Untoter seine beachtlichen Charaktertenorqualitäten entfalten. Juliette Mars singt die übertriebene Mutterliebe gekonnt und Timothy Connor  gibt dem Mörder aus Leidenschaft das entsprechende Profil. Auch Miriam KutrowatzIvan Zinoviev und Hyunduk Kim erfüllen ihre Aufgaben. Jonathan Palmer Lakeland sorgt mit dem Wiener Kammerorchester für den knalligen musikalischen Background.

Eine interessante Österreichische Erstaufführung. Alle Protagonistinnen und Protagonisten, auch das Regieteam wurden kurz und herzlich bejubelt.

Wertnote: 7,6 /10 Punkten.