Rezensionen
Turandot im Römersteinbruch.
15. Juli 2021, 08:15 Uhr
Gestern Abend hatte im Römersteinbruch St. Margarethen Giacomo Puccinis Oper Turandot Premiere. Seine letzte, unvollendet gebliebene Oper, die der Komponist Franco Alfano auf Anregung Arturo Toscaninis aus Skizzen fertigstellte. Bombastisch wie die aktuelle Produktion im Steinbruch. Der mit seiner immer wieder beeindruckenden Naturkulisse an einem wunderschönen burgenländischen Sommerabend das seine zu einer gelungenen Produktion beiträgt. Das Wetterglück und die Begeisterung des Publikums waren auf Seiten der Opernfreundinnen und -freunde. Musikchefin Ursula Magnes berichtet.
Der amerikanische Regisseur Thaddeus Strassberger versprach im Vorfeld ein Blockbuster-Special für das Publikum. Und er hat umgesetzt, was er sich vorgenommen hat. Giacomo Puccinis Turandot als große Show mit ständiger Bewegung auf der riesigen Naturbühne sorgt für ein ununterbrochenes Schau-Angebot. Man kann sich entweder auf die große emotionale Gefühlsdusche einlassen oder, was sich sehr empfiehlt, den Feldstecher zücken, um gelegentlich die vielen kleinen, liebevollen Details in den Kostümen und Gesten der unzähligen Darstellerinnen und Darsteller zu verfolgen. Alles ist bunt, groß und spektakulär – dazu Puccinis Kunst mit wenigen Akkorden sofort zur Sache zu kommen. Vor allem im ersten Akt werden mit den mitreißenden Chorszenen riesige Emotionswogen entfacht. Und die ebben eigentlich nie ab. Die „eiskalte“ chinesische Prinzessin Turandot bleibt vorerst in einem Tabernakel gleichen Tempelaufbau verborgen. Die Gegenwelt des Tartarenkönigs Timur mit der Sklavin Liù erscheint per Schiff von der linken Seite, ständig tummelt sich eine riesige Statisterie, Hofstaat, Tänzer, Akrobaten und die keck verschlagenen drei Minister am Hofe. Eine Kehrtwende der Handlung liegt gleichsam in der Luft und spitzt sich über drei Akte lang zu. Ein gewaltiges buntes Kuddelmuddel in den Kostümen von Giuseppe Palella entführt in eine Märchenwelt, die das Bühnenbild von Paul Tate dePoo kräftig unterstützt. Dazu Visuals, die ebenso kräftig mit chinesischen Versatzstücken überbordend in den Farbtopf greifen.
Dirigent Giuseppe Finzi führt das Piedra Festivalorchester wunderbar durch den Abend; der Sound und die Akustik im Römersteinbruch lassen eigentlich nichts zu wünschen übrig. Der Philharmonia Chor Wien zeigt seine präzise Opernqualität. Was die Sängerinnen und Sängerbesetzung betrifft, hat die italienische Sopranistin Donata D’Annunzio Lombardi als Sklavin Liù eindeutig die Nase vorne. Das warme farbenreiche Timbre und die berührend lyrische Durschlagskraft ihrer Stimme gehen unmittelbar zu Herzen. Sie erfüllt die riesige ausverkaufte Arena mit 5000 Besucherinnen und Besuchern mühelos. Der koreanische Tenor Andrea Shin singt sein Nessun Dorma ebenso mühelos und höhensicher und Martina Serafin als Prinzessin Turandot strahlt hörbar auch über das volle Orchester.
Am Ende siegt die Liebe und die Leidenschaft für ein großes Opernspektakel. Jubel und Begeisterung im Publikum.
Ein praktischer Tipp: fahren sie früh genug zur Vorstellung, um einem möglichen Stau aus dem Weg zu gehen. Für viele Besucher der gestrigen Premiere ein Wehrmutstropfen. Die letzten schafften es erst zur Pause nach dem 1. Akt.
© Esterházy/Jerzy Bin: Andrea Shin (Calaf), Martina Serafin (Turandot)