Rezensionen

Wiederaufnahme von Cardillac.

3. November 2022, 09:15 Uhr

Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Gestern wurde in der Wiener Staatsoper „Cardillac“ von Paul Hindemith wieder aufgenommen. Die Inszenierung von 2010 kommentiert unser Opernexperte Richard Schmitz.

Sinnvoller wäre es gewesen, diese Inszenierung zu Halloween herauszubringen. Regisseur Sven-Eric Bechtolf illustriert die Geschichte vom Goldschmied, der sich von seinen Werken nicht trennen kann und die Käufer brutal ermordet, in schwarz-weiß mit vielen Figuren, die einem Dracula-Film entsprungen sind. Die stilistische Spannung zwischen Expressionismus, neuer Sachlichkeit und romantischem Sujet versucht Bechtolf unter einen Hut, besser gesagt, unter einen Zylinder zu bringen. Die ersten Morde spielen noch bei halb aufgezogenen roten Vorhang um das Theatralische zu zeigen. Im zweiten Akt treten die Figuren aus einem goldenen Kasten auf und das Finale spielt wieder auf einer finsteren Straße. Die Stichwortbringer sind als Puppen stilisiert. Erst im Finale werden Offizier und Tochter mit fließenden Bewegungen zu handelnden Menschen.

Tomasz Konieczny gestaltet den Wahn der Titelfigur intensiv und spielt hier seine Persönlichkeit aus. Seine Wortdeutlichkeit könnte er noch verbessern. 2010 war er noch der Goldhändler. Schon bei dieser Premiere hat Herbert Lippert den Offizier gesungen, so konnte er problemlos einspringen. Eine intensive Gestaltung, in der er zeigt, dass seine Stimme nach wie vor durchschlagskräftig ist. Auch Vera-Lotte Boecker kann mit ihrer wunderbaren Stimme die Wandlung von der Puppe zum Menschen überzeugend darstellen. Die Szenen mit Cardillac, Offizier und Tochter sind auch die Höhepunkte des Abends. Sängertheater im besten Sinn. Chor und Orchester der Staatsoper waren bei Cornelius Meister in besten Händen. Paul Hindemith hat eine große Künstleroper komponiert.

Das Publikum war zufrieden und hat alle gefeiert.  Es war schön zu erleben, dass Musik der Zwischenkriegszeit noch immer berührt.

Wertnote: 7,9/10 Punkten